Aktuelle Entwicklungen im Finanz-, Rechnungswesen und Controlling
Tagungsbericht zur RECON 2018 vom 17.-18.5.2016 in Loipersdorf von Dr. Kristina Berger und Bianca Weidinger (Karl-Franzens-Universität Graz)
Im Rahmen der 15. RECON, dem Jahresforum für Entscheider im Finanz-, Rechnungswesen und Controlling, wurde ein vielseitiges Fachprogramm zu den aktuellen Themen aus den Gebieten Finanz- und Rechnungswesen, internationale Rechnungslegung und Digital Finance geboten. Im Folgenden werden die Themenschwerpunkte Digital Finance und Internationale Rechnungslegung näher dargestellt.
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1. Digital Finance
Ein Themenschwerpunkt widmete sich der Digitalisierung und deren Einfluss auf das Rechnungswesen und Controlling. Im ersten Impulsvortrag „Effizienzsteigerung im Finance-Bereich“ gab M. Narascheswki (SAP Berlin) einen Überblick über die neuen Technologien, die eine nachhaltige „digitale Transformation“ der Finanzorganisation ermöglichen werden: Mit „Robotic Process Automation“ (RPA) lassen sich standardisierte und sich oft wiederholende Prozesse automatisieren, mit Hilfe von maschinellem Lernen („machine learning“) können Muster in sowohl strukturierten als auch unstrukturierten Daten erkannt werden, „Predictive Analytics“ ermöglicht bessere und präzisere Prognosen, die „Cloud“ schafft einen standortunabhängigen Zugriff auf Unternehmensdaten und „In-Memory-Computing“ führt zu kürzeren Zugriffszeiten und erlaubt die Verarbeitung größerer Informationsmengen bei hohen Transaktionszahlen. Der Einsatz dieser Technologien führt zu einer immensen Effizienzsteigerung in der Finanzorganisation, ist sich M. Narascheswki sicher. Nichtsdestotrotz birgt die zunehmende Digitalisierung – neben den vielseitigen Potentialen der Automatisierung – nicht zu vernachlässigende Risikopotentiale, wie zB Fraud und Cybercrime. Die Absicherung der Finanzsysteme stellt hierbei ein zentrales Thema für die Finanzorganisation dar, wobei darauf hingewiesen wurde, dass der Mensch einen entscheidenden Risikofaktor darstellt und auch hier entsprechende Maßnahmen getroffen werden müssen.
K. Grönke (Horváth & Partners, Düsseldorf) eröffnete den zweiten Impulsvortrag „Die Digitale Finanzorganisation“ mit einem Zitat aus dem Roman „Quality Land“: „Alles läuft rund – Arbeit, Freizeit und Beziehungen werden von Algorithmen optimiert.“ Es ist bereits heute Realität, dass Algorithmen wesentlicher Bestandteil in einer Vielzahl von Prozessen sind. Ein klassisches Beispiel aus dem (privaten) Alltag ist der bekannte „Andere Kunden kauften auch …“ Algorithmus von Amazon. Die Anwendung von Algorithmen und neuen Technologien macht auch vor der Finanzorganisation nicht Halt. K. Grönke sprach in diesem Zusammenhang über die Herausforderungen und Trends, denen Unternehmen auf dem Weg zur „digitalen Finanzorganisation“ gegenüberstehen. Der Finanzbereich steht einem zunehmenden Effizienzdruck gegenüber, welcher zur Folge hat, dass Routineprozesse radikal verschlankt werden und auf klaren Entscheidungsregeln basieren. Auch die Unternehmenssteuerung wandelt sich: Es wird eine proaktiv-prognostizierende Steuerung angestrebt, während eine reaktiv-analytische Steuerung immer mehr der Vergangenheit angehören wird. Hinzu kommt, dass unternehmens- und wertschöpfungsübergreifende Daten eine umfassendere und bessere Steuerung ermöglichen. Aufgrund der zur Verfügung stehenden neuen Technologien verändert sich auch die Rolle und Kompetenz der Finanzfunktion. Das bedeutet auch, dass die Anforderungen und Qualifikationsprofile der Mitarbeiter in diesem Bereich zunehmend andere werden.
Im Anschluss moderierte K. Grönke einen CEO-Talk mit T. Leissing (EGGER Holzwerkstoffe) und S. Menard-Galli (Wienerberger) zum Thema „Die digitale Finanzorganisation: Fluch oder Segen?“. Gegenwärtiger Zustand und Fortschritt in puncto Digitalisierung der Unternehmen wurden diskutiert. Dabei konnte einerseits festgestellt werden, dass eine sehr zentrale Unternehmensführung besonders förderlich für die Umsetzung einheitlicher, digitaler Prozessabläufe ist, wohingegen unterschiedliche Systeme bei den Business Units die Anwendung digitaler Instrumente deutlich erschweren. In der Praxis recht häufig implementiert sind beispielsweise Simulationsmodelle, um etwa Risikoabschätzung oder Absatz- und Investitionsplanung durchzuführen. Automatisierung wird unter anderem bei der Erstellung des Finanzplans angestrebt. Vermehrt anzutreffen sind in den Unternehmen sogenannte „Cross functional teams“, bei denen Personen aus unterschiedlichen Bereichen (beispielsweise Business, IT und Controlling) zusammenarbeiten und maßgeblich zur Entwicklung ganzheitlicher digitaler Prozesse beitragen.
1.1. Robotic Process Automation und Artificial Intelligence
W. Kolarik (Deloitte) thematisierte zusammen mit G. Schütz (Anaplan) im Vortrag „Digital Finance – Zwischen Robotics und künstlicher Intelligenz“ Entwicklungen und Einsatzmöglichkeiten digitaler Lösungsansätze. Hier wurde RPA als softwarebasiertes Tool, welches die menschliche Interaktion mit manuellen und IT-basierten Aktivitäten imitiert, vorgestellt. Roboter sind als virtuelle Belegschaft unter der Aufsicht der operativen Abteilung zu verstehen und führen sich wiederholende Prozessschritte aus. Die Fähigkeiten von Robotern sind sehr umfassend. Dazu zählen die Sammlung, Validierung und Analyse von strukturierten und unstrukturierten Informationen, die Erfassung und der Transport von Informationen und Daten, Berechnungen und Entscheidungsfindung, die Kommunikation mit und Unterstützung von Benutzern und Konsumenten, das Management von Aktivitäten zwischen Personen und Robotern, die Überwachung, Erkennung und Meldung operativer Leistungen sowie das Erlernen von Verhalten und Prognose über Ergebnisse. Im Finanzbereich ist Effizienzsteigerung durch den Einsatz von RPA beispielsweise bei der Rechnungsfreigabe, der Stammdatenpflege und Kontenabstimmung, der Reisekostenabrechnung oder dem Debitorenmanagement im B2C-Sektor besonders vielversprechend. Vorteile des Einsatzes dieses fortschrittlichen Tools sind ein zeitlich uneingeschränkter Betrieb, eine netto Kostenreduktion von 30 bis 60 Prozent pro automatisiertem Prozess, eine Geschwindigkeits- und Qualitätssteigerung, ein attraktiver Amortisationszeitraum von unter einem Jahr, eine hohe Skalierbarkeit der Kapazität und einfache Kontrollmöglichkeiten.
Als noch fortschrittlicheres Tool wurde „Artificial Intelligence“ präsentiert. Darunter wird die Theorie und Entwicklung von Computersystemen verstanden, welche Aufgaben ausführen können, die normalerweise menschliche Intelligenz erfordern. Folglich wird die Art der Wertschöpfung durch diese Innovation, die Unternehmen in sämtlichen Sektoren einsetzen können, maßgeblich beeinflusst. Im Zuge der Präsentation wurde ein auf kognitiver Basis entwickelter „Roboter-Mitarbeiter“ vorgestellt, der an menschlichen Interaktionen teilnehmen und diese steuern kann. Der Roboter führt eigenständig zielgerichtete Dialoge, beantwortet Fragen, erkennt Sprache, Schrift sowie Emotionen, arbeitet systemübergreifend und ist in der Lage, von menschlichem Verhalten zu lernen. Die Anwendungsmöglichkeiten dieser Form von künstlicher Intelligenz sind sehr breit gefächert. Als eine beispielhafte Einsatzmöglichkeit sind Call Center anzuführen, bei denen Rechnungsreklamationen mit Hilfe von künstlicher Intelligenz abgehandelt werden können. Abschließend wurde exemplarisch eine cloudbasierte Planungslösung vorgestellt, die Planung in Echtzeit und in nur einem System ermöglicht. Als Trends, die die nahe Zukunft des Finanzbereichs prägen werden, wurden identifiziert: Datenanalysen von strukturierten und unstrukturierten Daten (Big Data, Predictive und Prescriptive Analytics), allgegenwärtige Informationen in Echtzeit, omnipräsente Technologie (Digitalisierung als Gesamtheit), automatisierte und vernetzte Finanzprozesse sowie Auswirkungen auf Unternehmen (Berichtspflichten).
1.2. Data Analytics
„Von den Daten zur Entscheidung“ war der Titel des Vortrags von C. Krischanitz (arithmetica), in dem der Fokus auf dem Thema Datenanalyse und den damit verbundenen Herausforderungen lag. Zahlreiche Begrifflichkeiten, wie etwa „Predicitive Analytics“, „Data Science“ oder „Multivariate Statistics“ werden im Zusammenhang mit „Data Analytics“ verwendet. Ungeachtet der weitreichenden Dimension dieses Themas ist im Kern jeweils das Zusammenwirken von mathematischen bzw statistischen Methoden, der IT-Kompetenz und der Business-Komponente ausschlaggebend für den sinnvollen und erfolgsversprechenden Einsatz von Datenanalysen. Dabei wurde betont, dass Software-Tools erst dann eingesetzt werden sollten, wenn eine klare Problemformulierung vorliegt. Der IT-Bereich ist für die Datenverwaltung wesentlich, mit Hilfe von Mathematik bzw Statistik erfolgt das Verknüpfen und Analysieren der Daten, und schließlich sind aus wirtschaftlicher Sicht Entscheidungen zu treffen und Aktionen zu setzen. Ziel einer Datenanalyse ist es, zufällige Effekte von systemischen Effekten zu trennen. Zufällige Effekte sind jedoch nicht immer also solche zu erkennen. Dies kann zur Folge haben, dass Fehlinterpretationen stattfinden, die falsche Entscheidungen herbeiführen können. Daher sind besonders das Sicherstellen ausreichender Ressourcen für die Analyse und die regelmäßige Validierung der Ansätze, Annahmen und Ergebnisse essenziell.
S. Leber und P. Schentler (beide Horwáth & Partners) fokussierten sich im Rahmen ihres Vortrags „Unternehmensplanung in volatilen Zeiten“ auf die Effizienz- und Qualitätssteigerungspotentiale von „Predictive Analytics“. Das Optimierungspotential in der Planung und bei Forecasts wird als hoch angesehen, da diese rund ein Drittel der Controlling-Ressourcen binden und auch ein Großteil der Finanzbereiche mit der Qualität der Planung und Forecasts nicht im ausreichenden Maße zufrieden ist. „Predictive Analytics“ bedient sich hier der Analyse vorhandener Ist-Daten des Unternehmens sowie externer Daten unter Anwendung von maschinellem Lernen. Das Ergebnis sind automatisierte Forecasts sowie Prognosewerte in Echtzeit und die bislang für die Planung und Forecasts gebundenen Controlling-Ressourcen können so für andere Zwecke freigesetzt werden. Auch die Prognosegüte verbessert sich durch die Anwendung von „Predictive Analytics“ wesentlich, da automatisch analysierte Daten und daraus folgende Prognosewerte im Durchschnitt besser abschneiden als menschliche Einschätzungen. Neben der Verwendung von „Predictive Analytics“ entwickelt sich die Modellierung von Szenarien zu einer Schlüsselkompetenz im Finanzbereich. Mit der Modellierung der Veränderung von Treibern und Maßnahmen entlang des (verwendeten) Datenmodells soll eine Verbindung von externen Ereignissen und Managementaktionen (Szenarien) im Vergleich zu einem „Base Case“ dargelegt werden können. Während „Predictive Analytics“ automatisiert die „Base Cases“ generiert, werden bei der Modellierung von Szenarien strategische Entscheidungen integriert und Veränderungen berücksichtigt. Die Kombination von „Predictive Analytics“ und des „Szenario-Modellings“ erlaubt so eine dynamische Steuerung, die den Anforderungen der Unternehmensplanung in einem volatilen Umfeld gerecht wird.
1.3. Visualisierung von Prozessen
Unter dem Titel „Was ist der Zustand meiner Prozesse“ stellten R. Accorsi (PwC, Zürich) und P. Tasev (Deutsche Telekom) die Methode des „Process Mining“ zur Analyse und Bewertung von Prozessen vor. Während bisher genutzte Methoden zur Analyse von Prozessen, wie die Prozessdokumentation, lediglich den Idealzustand eines Prozesses darstellen und Befragungen von Nutzern häufig subjektiv ausfallen, kann die „Process Mining“ Technik einen Prozess (beispielsweise die Bearbeitung von Lieferantenverbindlichkeiten) auf Basis der automatisiert generierten Daten vollständig und objektiv visualisieren. Die hieraus resultierende Transparenz und Objektivität sichert faktenbasierte Entscheidungen hinsichtlich der Optimierung eines Prozesses. Der dargestellte Ist-Zustand des visualisierten Prozesses zeigt auf, welche Teile bzw Transaktionen des Prozesses reibungslos verlaufen und wo in der Prozesskette Probleme oder Ineffizienzen entstehen, welche so in weiterer Folge gezielt verbessert werden können.
2. Internationale Rechnungslegung
Ein zweiter Schwerpunkt lag im Bereich der internationalen Rechnungslegung. Im „AFRAC Update“ gaben W. Fleischer (AFRAC-Präsidium), E. Eberhartinger (WU Wien) und A. Schiebel (Österreichischer Raiffeisenverband) einen Überblick über aktuelle Facharbeiten. Diese umfassten unter anderem baldige bzw gegenwärtige Stellungnahmen zum Thema „Wesentlichkeit bei der Aufstellung von UGB-Abschlüssen“ und „Umsatzrealisierung (UGB)“. Neben einigen Ergänzungen, Anpassungen und Überarbeitungen bestehender Stellungnahmen, wurde auch auf die Arbeitsgruppen „Kapitalkonsolidierung nach UGB“ und „IFRS 9 und UGB“ hingewiesen.
E. Plöchl (EY) und A. Wagenhofer (Karl-Franzens-Universität Graz) präsentierten einen Überblick über neue Standards und Interpretationen und stellten das Arbeitsprogramm des IASB vor, das als Schwerpunkt das Themengebiet „Innovative Finanzberichterstattung“ hat. Herausgegriffen wurden von den zahlreichen Projekten des IASB jene zu „Goodwill and Impairment“, „Primary Financial Statements“, „Accounting Policy Changes“ und „Disclosure Initiative – Principles of Disclosure“. Daneben wurde auch das beschlossene neue „Conceptual Framework“ dargestellt. Außerdem wurde umfassend auf das neue einheitliche elektronische Berichtsformat für Jahresberichte in Europa („European Single Electronic Format“, ESEF) der ESMA, welches in den letzten Jahren erarbeitet wurde, eingegangen. Dieses Berichtsformat wird ab dem 1.1.2020 von Emittenten auf EU Kapitalmärkten anzuwenden sein. XBRL (eXtensible Business Reporting Language) wurde als Standard für elektronische Finanzkommunikation festgelegt, wobei zunächst die Primary Statements in einem iXBRL-Format, welches von Standardwebbrowsern lesbar angezeigt werden kann, eingereicht werden. Die Zuordnung der Inhalte in eine einheitliche Datenstruktur erfolgt auf Basis der ESEF-XBRL-Taxonomie. Das Format XBRL wird bereits von mehreren Ländern und deren Regulierungsbehörden eingesetzt (zB USA: SEC Interactive Data, Deutschland: steuerliche E-Bilanz). Mit dieser Neuerung sind, abgesehen von den zunehmenden Möglichkeiten der Datenanalyse, weitere Veränderungen im Zuge der Unternehmenskommunikation zu erwarten. Diese umfassen unter anderem die (zumindest scheinbar) höhere Vergleichbarkeit der Informationen, dynamische Präsentation von Berichtsinhalten, die Möglichkeit für einen direkten Dialog mit den Stakeholdern, erhöhte Transparenz und Prozesseffizienz, Gelegenheit für interne Harmonisierung sowie verstärkte Relevanz technischer Anforderungen.
Im Vortrag „IFRS Attention-Getter“ behandelten G. Hirschböck (KPMG) und C. Höllerschmid (Semperit) herausfordernde Fragen aus der Anwendungspraxis der IFRS, auch im Lichte der Fehlerfeststellungen der OePR. Die vorgestellten Themen umfassten: Kontrolle und Konsolidierung, Ertragssteuern, Aufgabe von Geschäftsbereichen bzw Verkauf von langfristigem Vermögen, Überrendite im Terminal Value und eingeschwungener Zustand sowie Kreditvertragsklauseln und Fristigkeitsausweis von Finanzverbindlichkeiten.
Der Vortrag „Rolle von Bewertungsgutachten für Bewertungen nach IFRS“ von K. Eiter und M. Bartl (beide BDO) beschäftigte sich mit Impairment-Tests gemäß IAS 36 in Verbindung mit IFRS 13 und präsentierte Erfahrungen aus bisherigen Enforcement-Verfahren. Die OePR erfasste im Zuge der Prüfungen seit 2013 18 Fehlerfeststellungen im Bereich von Impairment-Tests. Die Hälfte davon betrafen die Cashflow-Prognosen für die Ermittlung der Nutzungswerte. Die Vorgabe zur Bestimmung der Cashflow-Prognosen, die als Planungsanforderung vernünftige und vertretbare Annahmen vorsieht, wurde bei den betreffenden Fällen nicht erfüllt. Im Zuge der Ermittlung der ewigen Rente wurden mehrere Modellvarianten vorgestellt und auf ihre Zulässigkeit hin diskutiert. Weitere problematische Punkte traten im Zusammenhang mit Kalkulationszinssatz , Triggering Events sowie Cash Generating Units auf. In der Vergangenheit wurden von der OePR auch die unsachgemäße Zusammenführung von Segmentebenen im Rahmen der Werthaltigkeitsprüfung sowie eine nicht nachweisbare Änderung der Konzernsteuerung nach Reduktion der Anzahl der Cash Generating Units beanstandet.
2.1. IFRS 15
D. Schmid (BENTELER) und C. Zimmel (Grant Thornton) teilten in ihrem Vortrag „IFRS 15: Ertragsrealisierung“ ihre Erfahrungen aus der Anwendung dieses Standards, welcher mit der Berichtsperiode ab dem 1.1.2018 in Kraft getreten ist. Nach IFRS 15 werden Umsatzerlöse dann erfasst, wenn die Leistungsverpflichtungen durch das Unternehmen mit der Lieferung von Waren und Gütern oder der Erbringung von Dienstleistungen erfüllt werden. Die Erlösrealisierung teilt sich in folgende fünf Schritte:
- Identifizierung eines Vertrags mit dem Kunden
- Identifizierung von Leistungsverpflichtungen
- Bestimmung des Transaktionspreises
- Allokation des Transaktionspreises
- Erlöserfassung für erfüllte Leistungsverpflichtungen
D. Schmid und C. Zimmel legten wesentliche Merkmale der oben genannten Schritte am konkreten Praxisfall von BENTELER dar und diskutierten zentrale Themen in Bezug auf die Automobil-Zulieferindustrie anhand von fünf Sachverhalten. Einer dieser Sachverhalte widmete sich der Thematik der Vertragsidentifikation. Die Problematik ist hier, dass sich vertragliche Unterlagen mit Kunden oftmals sehr vielschichtig gestalten und selten nur ein Vertragswerk vorliegt. Stattdessen bestehen diverse Vereinbarungen, Rahmenverträge, Absichtserklärungen etc zwischen dem jeweiligen Kunden und dem Unternehmen. Zu Beginn wird regelmäßig ein Rahmenvertrag abgeschlossen, in welchem sowohl der Kunde als auch das Unternehmen ihre Absicht erklären zusammenzuarbeiten. Oftmals werden im Rahmenvertrag auch bereits potentielle Gesamtvolumina über den geplanten Projekthorizont genannt oder Preise vereinbart. Nach möglichen weiteren sowie mündlichen (Zusatz-)Vereinbarungen erfolgt dann ein sogenannter Abruf, in welchem der Kunde das Unternehmen beauftragt eine bestimmte Menge an Produkten zu liefern. Das Unternehmen bestätigt diesen Abruf mit einer Auftragsbestätigung.
Um diesen Sachverhalt beurteilen zu können, muss zunächst identifiziert werden, ob bzw ab welchem Zeitpunkt überhaupt ein Vertrag nach IFRS 15 vorliegt. Dies ist der Fall, wenn (a) der Vertrag genehmigt ist und die Vertragsparteien zur Leistung verpflichtet sind; (b) die Rechte hinsichtlich der zu übertragenden Güter und Dienstleistungen identifiziert werden können; (c) die Zahlungsbedingungen für die zu übertragenden Güter und Dienstleistungen festgestellt werden können; (d) der Vertrag wirtschaftliche Substanz hat; und (e) die Einbringlichkeit der Gegenleistung wahrscheinlich ist. Ein Rahmenvertrag beinhaltet die Verpflichtung, jederzeit bei Bedarf ein bestimmtes Bauteil für einen Kunden herzustellen. Dabei werden keine garantierten Mindestabnahmemengen festgelegt, welche aber als Minimumerfordernis für rechtlich durchsetzbare Rechte und Pflichten gelten. Somit stellt ein Rahmenvertrag keinen Vertag iSd IFRS 15 dar, da dieser das Vertragskriterium nach IFRS 15.9 (b) oder IFRS 15.9 (c) nicht erfüllt. Ein Vertrag liegt im vorliegenden Sachverhalt erst auf Ebene des sogenannten Abrufs vor, da erst zu diesem Zeitpunkt auch tatsächlich durchsetzbare Rechte vorliegen. Daneben existiert die Sichtweise, dass ein Rahmenvertrag eine „stand-ready obligation“ darstellt: Die Leistungsverpflichtung ist eine Dienstleistung und besteht bereits durch den Rahmenvertrag in der Bereitschaft der Fertigung nach Abruf durch den Kunden (siehe zeitraumbezogene Realisation nach IFRS 15.35 (a)). Diese Sichtweise kann im Einzelfall auf Grundlage der individuellen Vertragsgestaltung sachgerecht sein. Die Sichtweise, dass ein Rahmenvertrag kein Vertrag iSd IFRS 15 ist, erscheint grundsätzlich sachgerechter, eindeutiger und – aufgrund der weniger ermessensbehafteter Parameter – leichter anwendbar. Welche Sichtweise anzuwenden ist, ist im Einzelfall entsprechend zu prüfen.
2.2. IFRS 16
Der neue Leasingstandard IFRS 16 ist ab dem Geschäftsjahr 2019 anzuwenden. K. Fuhrmann, G. Marterbauer (beide Deloitte) und M. Mannsberger (Verbund) stellten das Implementierungsprojekt des IFRS 16 beim Verbund dar und illustrierten den zeitlich und ressourcentechnisch aufwendigen Umsetzungsprozess, wobei neben der Systemabstimmung besonders die Analyse und Erfassung von Verträgen wesentliche Faktoren darstellen. Kritische Aspekte in der Praxis, wie die Bestimmung des Zinssatzes, des Leasingzeitraumes und die Folgebewertung des „Right of Use Asset“ wurden hervorgehoben.
Entsprechend IFRS 16.26 wird der Wert der Verbindlichkeit, die der Leasingnehmer ausweisen muss, anhand des Barwertes der Leasingzahlungen, die zum betrachteten Zeitpunkt noch ausständig sind, bestimmt. Die Leasingzahlungen sollen mit dem impliziten Zinssatz, der sich aus dem Leasingverhältnis ergibt, abgezinst werden. Anhang A des IFRS 16 definiert den impliziten Zinssatz als jenen Zinssatz, der den Barwert am Beginn des Leasingverhältnisses (a) der Leasingzahlungen und (b) des nicht garantierten Restwertes ergibt und gleich der Summe aus (i) Faire Value des Underlying Assets und (ii) jeglichen anfänglichen direkten Kosten des Leasinggebers ist. Falls der implizite Zinssatz nicht leicht bestimmt werden kann, soll der Grenzfremdkapitalzinssatz verwendet werden. Dieser entspricht dem Zinssatz, den der Leasingnehmer bezahlen müsste, falls er für die Finanzierung des Vermögenswertes mit vergleichbarer Besicherung, in vergleichbarem wirtschaftlichen Umfeld und für die gleiche Dauer Fremdkapital aufnehmen würde. Die praktische Bestimmung dieses Grenzfremdkapitalzinssatzes kann mit Hilfe eines dreistufigen Modells vorgenommen werden, bei dem zunächst der Referenzzinssatz und der Finanzierungsspread bestimmt werden und abschließend leasingobjektspezifische Anpassungen erfolgen.
Grundsätzlich entspricht die Laufzeit eines Leasingverhältnisses dem unkündbaren Zeitraum, innerhalb dessen dem Leasingnehmer das Recht zur Nutzung des Leasingobjekts zusteht. Die Bestimmung des Leasingzeitraumes ist aus praktischer Sicht bei unbefristeten Leasingverträgen oft kritisch. Es müssen die rechtlichen Gegebenheiten und insbesondere das Kündigungsrecht ermittelt werden, um die Wahrscheinlichkeit der Ausübung des Kündigungsrechts beurteilen zu können. Für die Evaluierung der Wahrscheinlichkeit der Ausübung werden folgende Faktoren herangezogen: Länge des unkündbaren Nutzungszeitraumes, Vergangenheitserfahrung in Bezug auf den Nutzungszeitraum ähnlicher Vermögenswerte, vertraglich vereinbarte Konditionen im Vergleich zu Marktpreisen in den optionalen Perioden, Höhe von bedingen Zahlungen wie Restwertgarantien oder Strafzahlungen im Fall der Kündigung, wesentliche Mietereinbauten, Höhe der Kosten im Fall einer Kündigung (Verhandlungskosten, Kosten einen Ersatz zu finden etc), operative Bedeutung des Vermögenswertes und die Verfügbarkeit adäquater Alternativen sowie die Wahrscheinlichkeit dafür, dass bestimmte Bedingungen eintreten, die Voraussetzung für das Ausüben der Option sind. Falls die Nichtausübung eines Kündigungsrechtes als „hinreichend sicher“ klassifiziert werden kann, verlängert sich die Laufzeit des Leasingverhältnisses um den entsprechenden Zeitraum. Sofern eine Verlängerungsoption besteht und die Ausübung dieser durch den Leasingnehmer wiederum hinreichend sicher ist, wird äquivalent vorgegangen. Weitere Punkte, die im Vortrag thematisiert wurden, umfassten die organisatorischen Aspekte und das Einrichten der Buchungslogik, IFRS 16 und Steuern sowie bilanzpolitische Spielräume im Rahmen der Erstanwendung und generell.
3. Weitere aktuelle Themen
Neben den zwei Themenschwerpunkten gab es zahlreiche weitere Vorträge, die sich mit aktuellen und praktisch relevanten Themen aus dem Rechnungswesen beschäftigten. Im Rahmen des Vortrags „Transaction Accounting – Hot Topics“ gaben A. Kunz (PwC, München) und C. Albrecht (Infineon) einen Überblick zu den bilanziellen Herausforderungen im Zuge eines Erwerbs oder Veräußerung ganzer Unternehmen oder Unternehmensteilen. Zunächst behandelte A. Kunz die Bilanzierung von „Common Control Transaction“ und „Capital Reorganisation“ sowie die Abbildung von Transaktionen mit aufgegebenen Geschäftsbereichen und stellte diese anhand von anschaulichen Beispielen dar. Abschließend ging er auf die zunehmende Bedeutung des Goodwills ein und diskutierte die Goodwillallokation bei Fremdwährungen. In der daran anschließenden Case Study berichtete C. Albrecht über seine Erfahrungen und typische Fallstricke aus der Praxis. Er präsentierte Inhalte zum Thema „Übertragene Gegenleistung“ sowie zu den Hedging-Möglichkeiten und bilanziellen Auswirkungen, wenn der Kaufpreis in einer Fremdwährung festgelegt wird.
„Management und Steuerrisiken“ war Thema des Vortrags von W. Rosar (KPMG) und E. Hotz-Behofsits (ÖBB-Holding). Dabei wurden besonders auf die Bedeutung des Steuerkontrollsystems und die Anforderungen an dieses eingegangen. Ein Steuerkontrollsystem ist fortan Voraussetzung, um am „Horizontal Monitoring“ teilzunehmen. Praxiserfahrung wurde im Rahmen der Präsentation des Projektablaufs bei der Implementierung eines Steuerkontrollsystems und der Anwendung dieses im Konzern dargelegt und wesentliche Punkte, wie etwa gute Planung und Kommunikation, hervorgehoben.
Unter dem Titel „Nichtfinanzielle Erklärung/Bericht NaDiVeG & GRI Standards“ gaben P. Gaggl (NOVOMATIC) und G. Rogl. (EY) einen Überblick über das Gesetz zur Verbesserung der Nachhaltigkeits- und Diversitätsberichterstattung von Unternehmen, welches rückwirkend mit dem 6.12.2016 in Kraft trat und für Jahresabschlüsse, deren Geschäftsjahr nach dem 31.12.2016 beginnt, erstmalig anzuwenden war. Auch die neuen GRI Standards, welche mit 1.7.2018 in Kraft treten und die GRI-G4 Leitlinien ablösen, wurden hinsichtlich deren Aufbaus und Inhalts vorgestellt. Darüber hinaus wurden aktuelle Trends im Nachhaltigkeitsmanagement und -reporting präsentiert und Herausforderungen im Rahmen der Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten diskutiert.
Der Vortrag von E. Petri (vorm. OMV) und M. Trettnak (BDO) beschäftigte sich mit dem Thema „Integrated Assurance – Realität oder Wunschtraum?“. Dabei wurde zu Beginn auf die häufigsten „Denkfehler“ hinsichtlich eines effektiven Risikomanagements in der Praxis eingegangen. Darüber hinaus stellten die Vortragenden fest, dass die gestiegenen Anforderungen an Aufsichtsräte, Vorstände und Geschäftsführer im Rahmen der Überwachung und Ausgestaltung der Corporate Governance-Systeme zu einem steigenden Bedarf an Unterstützungsleistungen führen. Zudem wurden unter anderem die Fragen „Was gehört alles zu Corporate Assurance?“, „Wer berichtet (wohin/an wen) über Corporate Assurance?“ und „Wer hat den Gesamtüberblick über Corporate Assurance?“ gemeinsam mit den Teilnehmern erörtert. Ein Erfahrungsaustausch rundete den Vortrag ab.
Weitere interessante Themengebiete wurden im Rahmen von „Round Tables“ diskutiert. Die Teilnehmer konnten aus folgenden Themengebieten wählen:
- Wertminderung von Finanzinstrumenten nach IFRS 9 (Klemens Eiter, BDO)
- Datenschutz – sind Sie fit? (Georg Beham, Grant Thornton)
- Controlling im Jahr 2030 (Thomas Gabriel, EY)
- Talent in Digital Finance (Karin Demelius und Gerhard Vlk, Deloitte)
- Controlling mit Alexa & Co? Flexibel erfassen – strukturiert dokumentieren (Helmut Byloff, Oracle)
- Finanzberichterstattung an Aufsichtsrat & Prüfungsausschuss (Leopold Rohrer, Verbund)
Abgerundet wurde das vielfältige Programm der diesjährigen RECON durch den Impulsvortrag von N. Knapp mit dem Titel „Der unendliche Augenblick: Warum Zeiten der Unsicherheit so wertvoll sind“. Bei diesem philosophischen Beitrag lag der Fokus darauf, einen positiven Bezug zum oft negativ behafteten Thema „Unsicherheit“ zu schaffen. Das „Philosophische Café“ gab Gelegenheit, am Vortrag von M. Lehofer (LKH Süd-West) zum Thema „Die neue Sehnsucht nach Verantwortung“ teilzunehmen. Den gelungenen sowie mitreißenden Abschluss bildete die „Drum Conversation“. Hier kamen afrikanische Trommeln zum Einsatz, die sichtlich Aktivität und Begeisterung beim Publikum auslösten.