Die Zukunft ausländischer Investitionen in der EU – M&A im Fokus der neuen FDI-Screening-Verordnung
Für grenzüberschreitende M&A-Transaktionen ausländischer Investoren bringt die neue Verordnung daher bedeutende regulatorische Änderungen mit sich, die sowohl die strategische Planung als auch die operative Umsetzung maßgeblich beeinflussen.
Was ändert sich konkret?
Breiter Anwendungsbereich: Auch indirekte Investments erfasst
Bisher galt die FDI-Verordnung ausschließlich für direkte Investitionen aus Drittstaaten. Künftig sollen auch indirekte ausländische Direktinvestitionen umfasst sein, also Investments, die über EU-Tochtergesellschaften erfolgen, aber letztlich von ausländischen Investoren kontrolliert werden.
Für M&A bedeutet das: Selbst wenn ein Käufer formal ein EU-Unternehmen ist, kann die Transaktion dem FDI-Screening unterliegen – abhängig von der Eigentümerstruktur. Dabei sehen die Erwägungsgründe drei kumulative Voraussetzungen für ein meldepflichtiges indirektes Investment vor – darunter eine Kapitalbereitstellung durch den ausländischen Investor und das Bestehen einer dauerhaften Verbindung zur Zielgesellschaft.
Allerdings enthält der Vorschlag auch Unklarheiten, die gerade bei der Strukturierung von M&A-Transaktionen Fragen aufwerfen. So bleibt unklar, warum trotz der Erfassung indirekter Kontrolle ein „direkter Zusammenhang“ zwischen Investor und Zielgesellschaft verlangt wird. Auch ist nicht eindeutig geregelt, ob Transaktionen zwischen zwei EU-Unternehmen, die mittelbar ausländisch kontrolliert werden, aber ohne direkte Finanzierung durch den Drittstaaten-Investor erfolgen, tatsächlich außerhalb des Anwendungsbereichs fallen. Diese Grauzonen bergen Unsicherheiten für Investoren und werden voraussichtlich Gegenstand weiterer politischer Verhandlungen sein.
Verpflichtendes Screening und Standstill-Verpflichtung
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die verpflichtende „Standstill“-Regelung: Der Vollzug einer Transaktion darf künftig erst nach behördlicher Freigabe erfolgen. Alle EU-Mitgliedstaaten müssen künftig ein Screening-System einführen – das freiwillige Modell gehört der Vergangenheit an. Für die Transaktionspraxis bedeutet das: Ein Closing ohne vorherige Freigabe ist unzulässig – auch in Ländern, in denen bisher keine oder nur freiwillige Regelungen bestanden.
Bei grenzüberschreitenden Deals in mehreren Staaten erfolgt die Meldung über einen zentralen „Kooperationsmechanismus“ an die Europäische Kommission und an alle betroffenen Mitgliedstaaten gleichzeitig. Verzögerungen durch einzelne Mitgliedsstaaten können dabei die gesamte Transaktionsdauer verlängern.
Sensitivität bei bestimmten Sektoren
Transaktionen in sensiblen Bereichen – etwa Verteidigung, kritische Infrastruktur, Dual-Use-Güter oder Schlüsseltechnologien wie KI – unterliegen automatisch dem Screening. Für Investoren bedeutet das eine intensivere Vorabprüfung, noch mehr Disclosure und noch mehr Abstimmungsaufwand.
Own-Initiative-Verfahren: Transaktionen können auch nach Closing geprüft werden
Ein wesentliches Instrument der neuen Verordnung ist das sogenannte Own-Initiative-Verfahren (OIP): Mitgliedstaaten und die EU-Kommission können abgeschlossene Investitionen bis zu 15 Monate nach Closing überprüfen – auch dann, wenn keine vorherige Anmeldepflicht bestand. Voraussetzung ist, dass konkrete Risiken für die nationale Sicherheit oder öffentliche Ordnung bestehen. Dabei erhalten die prüfenden Behörden jedoch keine zusätzlichen Eingriffsbefugnisse: Sie können lediglich Empfehlungen oder Stellungnahmen an den zuständigen Mitgliedstaat abgeben, der die Transaktion genehmigt hat. Dieser Staat ist nicht verpflichtet, eine offizielle Überprüfung einzuleiten, muss aber seine Entscheidung begründen.
Auch die Europäische Kommission kann im Rahmen eines OIP aktiv werden – insbesondere, wenn ein Investment mehrere Mitgliedstaaten betrifft oder die Sicherheitsinteressen der EU insgesamt gefährdet sind.
Für grenzüberschreitende M&A-Transaktionen bedeutet dies ein erhöhtes Maß an Unsicherheit: Auch nicht gemeldete Transaktionen können nachträglich ins Visier der Behörden geraten. Ein vermeintlich harmloser Deal kann nachträglich spürbare rechtliche und finanzielle Konsequenzen mit sich bringen. Investoren sollten daher potenzielle "Call-in"-Risiken sorgfältig in ihre Deal-Struktur und Risikobewertung einbeziehen.
Unser Praxistipp: Bereits in der frühen Deal-Phase empfiehlt es sich, einen „FDI-Check“ in die Due-Diligence-Prüfung zu integrieren.
Fazit – Mehr Regulierung, mehr Klarheit, aber auch mehr Aufwand
Die geplante Reform der FDI-Verordnung ist zweifellos ein Meilenstein in der europäischen Investitionspolitik. Für den M&A-Bereich bringt sie Klarheit, Vereinheitlichung – aber eben auch zusätzliche Komplexität und zeitlichen Aufwand.
Für Transaktionen bedeutet das konkret:
• Screeningpflichten frühzeitig prüfen;
• Beteiligungs- und Kontrollstrukturen offenlegen;
• zeitliche Puffer im Deal-Timing einplanen;
• mit möglichen Call-in-Risiken nach Closing rechnen.
Zum ausführlichen englischsprachigen Originalbeitrag auf der Seite von Taylor Wessing