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AG-Hauptversammlung

HV-Saison 2026: Zwischen Governance-Ausbau und neuem Regulierungsdruck – Einschätzungen von Dr. Christoph Diregger.

Von virtuellen Hauptversammlungen bis CSRD-Prüferwahl: Die HV-Saison 2025 stand ganz im Zeichen neuer Governance-Pflichten. Dr. Christoph Diregger, DSC analysiert, welche rechtlichen Trends Emittenten jetzt strategisch für 2026 vorbereiten müssen.

Business Circle: Sehr geehrter Herr Dr. Diregger, wenn Sie die HV-Saison 2025 in zwei Sätzen zusammenfassen würden – was war aus juristischer Sicht das prägende Thema?

Christoph Diregger: Aus juristischer Sicht wurde die HV Saison 2025 vor allem durch folgende Governance Schwerpunkte geprägt: Zum einen nahmen Gesellschaften – wie bereits in den Vorjahren – Satzungsanpassungen an das VirtGesG vor und regelten die Möglichkeit der Durchführung virtueller und hybrider Hauptversammlungen. Deren Zahl fiel jedoch deutlich geringer aus, da insbesondere börsennotierte Gesellschaften entsprechende Regelungen bereits zuvor implementiert hatten. Zum anderen war eine verstärkte Vorbereitung auf die CSRD Prüfungspflicht zu beobachten: Zahlreiche Einladungen sahen vorsorglich erneut die Wahl eines Prüfers für die (konsolidierte) Nachhaltigkeitsberichterstattung bzw. die nicht-finanzielle Erklärung vor. Unabhängig von neuen rechtlichen Entwicklungen wurden zudem Ermächtigungen für genehmigtes und bedingtes Kapital (i. d. R. einschließlich Bezugsrechtsausschluss) geschaffen oder bestehende Ermächtigungen erneuert – teilweise in Kombination mit Programmen zum Erwerb eigener Aktien.

BC: Das GesLeiPoG stellt viele Emittenten vor neue Compliance-Lasten -ist das in der Praxis für Unternehmen gut anwendbar oder erwarten Sie, dass der Gesetzgeber an einzelnen Punkten nachschärfen muss?

Diregger: Zum GesLeiPoG liegt seit Mitte Dezember ein neuer Entwurf vor; die aktuelle Regierungsvorlage weicht inhaltlich deutlich vom bisherigen Ministerialentwurf ab. Die neuen Regelungen sollen auf Wahlen Anwendung finden, die nach dem 30.06.2025 stattfinden. Da die meisten Hauptversammlungen im ersten Halbjahr abgehalten werden, werden die Neure-gelungen nicht unmittelbar auf anstehende Aufsichtsratswahlen durchschlagen. Gleichwohl sollten sich alle börsennotierten AGs frühzeitig mit den Vorgaben befassen, denn sie sind bis Ende 2026 umzusetzen; das „Wie“ bleibt den Emittenten überlassen.

Der erforderliche Anpassungsaufwand hängt maßgeblich davon ab, ob die bisherigen 30‑%-Vorgaben bereits eingehalten wurden: Der Entwurf sieht nun eine Quote von 40 % Frauen und 40 % Männern im Aufsichtsrat vor. Da 40 % selten exakt erreicht werden, enthält der Entwurf besondere Rundungsregeln: Maßgeblich ist jene Personenzahl, die 40 % am nächsten kommt, 49 % jedoch nicht überschreitet. Haben Emittenten die 30‑%-Quote bereits erfüllt, fällt der Umsetzungsbedarf in der Regel geringer aus und erfordert entweder keine Änderungen oder beschränkt sich auf ein einzelnes Aufsichtsratsmandat. Deutlich größerer Anpassungsbedarf kann bei Emittenten entstehen, deren Aufsichtsrat weniger als sechs Mitglieder umfasst, weil die 30‑%-Quote für sie bislang nicht galt.

BC: Der Listing Act bringt tiefgreifende Änderungen für Emittenten. Welche Auswirkungen werden davon in der HV-Saison 2026 besonders spürbar sein?

Diregger: Die Neuerungen des Listing Act erleichtern Kapitalmaßnahmen. Insbesondere werden die prospektfreien Spielräume erweitert, unter anderem durch ein prospektfreies Gesamtemissionsvolumen von 12 Mio. EUR ab Juni 2026. Davon können vor allem Emittenten profitieren, die derzeit keine Ermächtigung zur Kapitalerhöhung haben, weil sich Kapitalmaß-nahmen so kostengünstiger umsetzen lassen.

Gleichzeitig entsteht Umsetzungsaufwand: Emittenten müssen ihre Prospekt  und Ad hoc Prozesse auf das ab Juni 2026 standardisierte Prospektformat (unter anderem 300 Seiten Obergrenze und ein stärkeres Englisch Regime) sowie auf die neue Zwischen-schritt Logik der MAR ausrichten. Für Aktiengesellschaften wird zudem maßgeblich sein, wie der österreichische Gesetzgeber die europäischen Vorgaben zur Einführung von Mehrstimmrechtsaktien umsetzt. Die EU sieht einen sehr engen Anwendungsbereich vor; offen ist, ob der österreichische Gesetzgeber – in Abkehr vom Grundsatz „one share, one vote“ – eine all-gemeine oder zumindest breitere Zulässigkeit vorsieht.

BC: Die Ad-hoc-Pflicht bei gestreckten Sachverhalten sorgt weiterhin für Unsicherheit. Wo sehen Sie die größten Auslegungsfragen – und wie sollten Unternehmen im Alltag damit umgehen?

Diregger: Die größten Auslegungsfragen betreffen den Zeitpunkt der hinreichenden Konkretisierung – insbesondere die Abgrenzung zwischen „finalem Ereignis“ und bloßen Zwischen-schritten –, das Management von Leaks, die eine frühere Offenlegung auslösen können, so-wie die neue Voraussetzung, dass ein Aufschub der Offenlegung nur zulässig ist, wenn die Insiderinformation nicht im Widerspruch zur zuletzt veröffentlichten Kommunikation zur selben Sache steht. Praktisch sollten Unternehmen strikt auf Vertraulichkeit achten, präzise Insiderlisten führen, Aufschubentscheidungen einschließlich Begründung dokumentieren und szenariobasierte Disclosure Pläne mit konsistenter Außenkommunikation vorhalten. Die de-legierten Rechtsakte der Europäischen Kommission stehen noch aus; die ESMA hat jedoch bereits ihre technische Beratung veröffentlicht, die als Grundlage für später zu erlassende de-legierte Rechtsakte dienen soll und zumindest die Richtung künftiger Auslegungshilfen der Kommission indiziert.

BC: Bei Directors‘ dealings: Wo sehen Sie in Ihrer rechtsberatenden Praxis die größten Fehlerquellen und wie sollte der Gesetzgeber dagegen vorgehen – stärker vereinfachen oder besser präzisieren?

Diregger: In der Praxis führen vor allem die falsche Erfassung nahestehender Personen, verspätete Meldungen, Transaktionen in Closed Periods ohne greifende Ausnahme zu Feh-lern. Regulatorisch erscheint weniger eine weitere „Vereinfachung“ als vielmehr eine präzisere, europaweit harmonisierte Klarstellung von Schwellen, Fristen, Ausnahmen und Definitionsfragen sinnvoll, um Rechts- und Prozesssicherheit im Tagesgeschäft zu erhöhen.

Das GesLeiPoG wirft seine Schatten voraus

BC: Welche Themen könnten 2026 für Anteilseigner auf der Hauptversammlung besonders relevant werden – auch im Zusammenspiel von Nachhaltigkeit, Kapitalmarkt und Governance?

Diregger: Wie bereits erwähnt, wird das GesLeiPoG die börsennotierten Aktiengesellschaften erheblich beschäftigen. Auch wenn die Aufsichtsratswahlen in diesem Jahr noch nicht unmittelbar erfasst sind, müssen Emittenten Vorsorge treffen, damit die Vorgaben bis Jahresende erfüllt sind. Das Gesetz ist zwar noch nicht beschlossen, es dient jedoch der Umsetzung einer EU Richtlinie, die bereits bis zum 28.12.2024 hätte umgesetzt sein sollen.

Spannend bleibt zudem, wohin sich die Nachhaltigkeitsberichterstattung entwickelt: Die Omnibus Vorgaben sind noch nicht final abgestimmt, die vorläufige Einigung deutet jedoch auf eine erhebliche Einschränkung des Anwendungsbereichs hin. Die Größenkriterien wurden so deutlich angehoben, dass nicht mehr alle börsennotierten AGs erfasst sein werden. Für die weiterhin erfassten Unternehmen soll jedoch eine externe inhaltliche Prüfung – wenn auch mit begrenzter Sicherheit – bestehen bleiben. Emittenten werden daher, wie bisher, vorsorglich einen Nachhaltigkeitsprüfer bestellen.

BC: Und abschließend: Sie begleiten die Fachtagung „AG-Hauptversammlung“ nun schon seit 2021, was ist für Sie das Besondere an dieser Konferenz?

Diregger: Besonders ist die enge Verzahnung von Praxis, Rechtsprechung und Wissenschaft: Die Tagung schafft einen Raum, in dem Emittenten, Investoren, Aufsicht und Berater ihre Erfahrungen unmittelbar miteinander abgleichen, Best Practices konkretisieren und belastbare Standards für die nächste Saison mitentwickeln. Diese Mischung aus Tiefenschärfe, Umsetzungsnähe und offener Debatte macht die Veranstaltung zu einem Fixpunkt der HV-Community.

BC: Sehr geehrter Herr Dr. Diregger, vielen Dank für Ihre fundierten Einschätzungen und den Blick hinter die juristischen Kulissen.

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