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Korruption international im Aufwind – und Europa? Interview mit Klaus Moosmayer, Deutsche Bank

Dr. Klaus Moosmayer ist im Aufsichtsrat der Deutschen Bank. Im Interview spricht er über die Lehren aus Korruptionskrisen, die Bedeutung von Integrität als Wettbewerbsfaktor und warum Europa eine Strukturreform im Compliance-Bereich braucht.

Business Circle: Sehr geehrter Herr Dr. Moosmayer, eingangs etwas Persönliches: Wie Ihr Lebenslauf zeigt, sehen Sie Compliance und Integrität als Berufung, nicht nur als Beruf. Was hat Sie dazu bewogen, genau diesen Weg zu gehen?

Klaus Moosmayer: Schon als junger Jurist hat mich das Wirtschaftsstrafrecht aufgrund seiner vielseitigen Bezüge in alle Bereiche des Wirtschaftslebens besonders interessiert. Damals hat aber noch kaum jemand von Compliance gesprochen. Bei Siemens habe ich dann Compliance in der Bewältigung der Korruptionskrise selbst gestalten dürfen. Ich habe hautnah miterlebt, welche Bedeutung gute Compliance für Unternehmen und die Gesellschaft hat. Diese Erfahrung hat mich dann für mein ganzes Berufsleben geprägt.

BC: Der Corruption Perceptions Index gilt als Stimmungsbarometer gegen Korruption – aber wie aussagekräftig ist eine reine Wahrnehmung eigentlich? Kann „gefühlter“ Wert Basis für Politik oder Unternehmensstrategien sein?

Moosmayer: Der Corruption Perception Index ist seit vielen Jahren etabliert und wird auch in der Öffentlichkeit als Referenz genutzt. Es ist schon gut, dass damit das Thema der Korruption auch den Weg in die Nachrichten zur besten Sendezeit findet. Ich gebe Ihnen aber Recht, dass er nicht allein zu Bewertung von tatsächlichen Korruptionsrisiken herangezogen werden sollte. Viele Unternehmen nutzen ihn als eine von mehreren Quellen für ihr Risikomanagement. In Kombination mit weiteren Indizes, etwa dem Rule of Law Index, und - sehr wichtig - eigenen unternehmensspezifischen Daten, leistet der Corruption Perception Index hierzu einen wichtigen Beitrag.

BC: Daran anschließend: Österreich schneidet im CPI im Mittelfeld ab. Ist das ein Schönwetterranking – oder zeigt es strukturelle Schwächen, die in der Praxis gerne verdrängt werden?

Moosmayer: Das muss letztlich die österreichische Politik und Gesellschaft bewerten. Aus der Außenbetrachtung fällt aber schon auf, dass die ja durchaus "heftigen" Korruptionsskandale in Österreich medial und in der Öffentlichkeit intensiv und auch kontrovers diskutiert werden, was ja per se ein gutes Zeichen für eine aktive Zivilgesellschaft ist. Österreich hat auch zweifelsohne eine exzellente Compliance-Community, die bestens vernetzt und sehr gut geschult ist. Und mit der Internationalen Anti-Korruptionsakademie in Laxenburg verfügt Österreich über eine der wichtigsten internationalen Institutionen im Kampf gegen die Korruption, die mit der neuen Leitung jetzt hoffentlich wieder in ruhigeres Fahrwasser kommt.

BC: Wenn wir nach Argentinien schauen: Weniger Steuern, weniger Staat, weniger Umverteilung. Heißt das automatisch auch weniger Korruption oder entstehen neue Schlupflöcher?

Moosmayer: Ich bin kein Freund davon, Länder pauschal als "korrupt" oder "nicht-korrupt" einzuordnen. Ich war in meinem beruflichen Leben sehr oft in Argentinien und habe dort auch unter sehr schwierigen Bedingungen viele integere Persönlichkeiten kennengelernt. Aber der Kontext, das System, haben es diesen aufrechten Menschen in der Vergangenheit sehr schwer gemacht. Bei meinem letzten Besuch habe ich gesehen und gehört, dass die Alltagskorruption unter der aktuellen Regierung abgenommen hat. Ob das mittel- und langfristig dazu führt, dass auch die strukturelle Korruption ("state capture") auf der höheren politischen Ebene verschwindet, muss man abwarten. Dazu gehören immer auch eine unabhängige Justiz, eine im Rahmen der Gesetze handelnde Polizei und eine freie Presse.  

BC: Money Earner vs. Money Burner: Compliance gilt oft als „Kostenfaktor“. Wie begegnen Sie der Kritik, dass Integrität ein Wettbewerbsnachteil sei?

Moosmayer: Mit Menschen, die Integrität ernsthaft als Wettbewerbsnachteil sehen, ist ehrlicherweise schwer zu diskutieren. Da fehlt es oft schon am gemeinsamen Wertekonsens. Ich möchte Integrität auch ungern nur auf die rechtliche Haftungsminderung für Unternehmen und ihre Organe reduzieren, obwohl das natürlich ein gewichtiger Punkt ist. "Legal Compliance" ist ohne Zweifel wichtig, und für Unternehmen kein Wettbewerbsnachteil sondern die "Geschäftslizenz", die auch entzogen werden kann. Aber "Legal Compliance" alleine schafft nicht das notwendige Vertrauen zwischen Unternehmen, Kunden, Aktionären oder auch der Mitarbeiterschaft. Oder glauben wir wirklich, dass die junge Generation in einem nicht-integren Unternehmen arbeiten möchte, das besticht, die Umwelt verschmutzt und Kinderarbeit befördert?

Eine Strukturreform in der Compliance

BC: Wenn Sie nach vorne blicken: Brauchen wir noch mehr Compliance-Regeln – oder sollten wir eher mutig reduzieren, nach dem Motto „less is more“?

Moosmayer: Wir brauchen dringend eine Strukturreform in der Compliance. Weniger Compliance-Einzelgesetze und Beauftragte, die zu einem kaum mehr durchschaubaren regulatorischen Dickicht geführt haben. Wichtig ist ein - auch gesetzlich geregelter - Konsens über die Grundelemente eines wirksamen Compliance Systems, ein Allgemeiner Teil der Compliance. Darauf können dann Sonderregeln Bezug nehmen, aber die Systematik muss einheitlicher werden. Das gilt insbesondere auch für den Europäischen Gesetzgeber. Mein Ziel ist eine "Integrated Assurance", die Governance, Risikomanagement, Compliance und Kontrollen in ein einheitliches System zusammenführt, auf der Grundlage eines fortlaufenden Dialogs zu Fragen der Ethik und Integrität.  

BC: Abschließend: Wir dürfen Sie zum ersten male als Vortragenden bei uns begrüßen. Warum ist es in Ihren Augen wichtig, dass sich Compliance Officer live vernetzen und worauf freuen Sie sich am meisten?

Moosmayer: Die Compliance lebt von den Menschen, die sich für das Thema begeistern und es vorantreiben. Dafür brauchen wir Plattformen und ich freue mich sehr, auf solch einer wichtigen Plattform am Dialog teilnehmen zu dürfen.

BC: Sehr geehrter Herr Dr. Moosmayer, wir danken Ihnen für dieses fundierte Interview und freuen uns sehr, Sie bald live bei uns zu begrüßen!

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