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Inclusive Business & DEI Excellence Summit

Diversity im Aufsichtsrat: Christoph Herzeg im Gespräch

Christoph Herzeg ist Geschäftsführer der Kelag Energie & Wärme, Aufsichtsrat der Volksbank Wien AG und der Villacher Alpenstraßen GmbH. Wir sprechen darüber, wie Diversität über „Quoten“ hinaus geht, wie man sie im Gremium richtig nutzt – und was junge Führungskräfte tun können, um etwas zu ändern.

Business Circle: Sehr geehrter Herr Herzeg, eingangs etwas Persönliches: Sie verfügen über Erfahrung in Industrie, Verwaltung, Bankwesen und Energiewirtschaft. Wie hat sich Ihre Perspektive auf Diversität in Aufsichtsräten über die Jahre verändert?

Christoph Herzeg: Vielfalt in Aufsichtsräten war früher ein Nice-to-have – Diversität wurde oft mit Gender gleichgesetzt. Heute ist das Thema viel breiter zu sehen: Es geht um Perspektivenvielfalt. Ein Aufsichtsrat, der nur aus homogenen „Klonen“ besteht, mag effizient sein – aber nicht zukunftsfähig. Unterschiedliche Blickwinkel führen zu robusteren Entscheidungen – und das ist genau das, was wir in den aktuell herausfordernden Zeiten brauchen.

BC: Daran anschließend: Sie sind Certified Supervisory Expert: Wie wichtig ist die gezielte Aus- und Weiterbildung auch im Bereich Diversity & Governance für eine zukunftsfähige Aufsichtsratskultur?

Herzeg: Die Anforderungen an Aufsichtsräte sind in den letzten zehn Jahren massiv gestiegen. Governance, Nachhaltigkeit, Digitalisierung – das kann niemand mehr „nebenbei“. Diversity-Kompetenz ist dabei nicht Kür, sondern Pflicht. Denn es reicht nicht, eine diverse Zusammensetzung zu haben – man muss sie auch nutzen können. Das lernt man nicht im stillen Kämmerlein, sondern in der Auseinandersetzung mit neuen Denkmodellen und durch Weiterbildung.

BC: Manche Studien zeigen, dass gemischte Gremien zu besseren Entscheidungen führen – erleben Sie das auch in Ihrer Praxis oder ist das eher Theorie als gelebte Realität?

Herzeg: Das erlebe ich ganz klar. Unterschiedliche Sichtweisen bringen mehr Diskussion, ja – manchmal auch Reibung. Aber genau diese Reibung bringt oft die besten Lösungen hervor. Ich würde sagen: Homogene Gruppen sind schneller – aber heterogene Gruppen sind besser. Vorausgesetzt, die Kultur stimmt und alle reden wirklich mit.

BC: Wenn Diversität wirklich ein Erfolgsfaktor ist: Warum kürzen weltweit Unternehmen ihre DEI-Budgets – und wie interpretieren Sie diese Entwicklung?

Herzeg: Weil man in Krisenzeiten zuerst dort spart, wo der ROI nicht sofort sichtbar ist. Das ist betriebswirtschaftlich verständlich, aber strategisch kurzsichtig. Diversität ist kein Feel-Good-Programm, sondern ein Wettbewerbsfaktor. Wer heute DEI abbaut, baut morgen womöglich Kompetenz ab. Mein Zugang: gerade jetzt konsequent bleiben und nicht in alte Denkmuster zurückfallen.

BC: Kritiker sagen, die Debatte um Frauenquoten lenke von den wesentlichen Fragen ab – wie viel Gewicht geben Sie im Aufsichtsrat der Geschlechterfrage gegenüber fachlicher Qualifikation?

Herzeg: Das ist keine Entweder-oder-Frage. Qualifikation ist die Grundvoraussetzung – aber es gibt keinen sachlichen Grund, warum es etwa nicht gleich viele qualifizierte Frauen wie Männer geben sollte. Wer das als Gegensatz sieht, offenbart eher ein Auswahlproblem als ein Diversityproblem. Diversität ergänzt Exzellenz – sie ersetzt sie nicht.

Aus „der eigenen Suppe“ herauskommen

BC: Wie wichtig ist es aus Ihrer Sicht, Diversity nicht nur als Geschlechterfrage, sondern auch als Thema von Generation, Herkunft, Ausbildungshintergrund und Berufserfahrung zu denken?

Herzeg: Absolut zentral. Ich erlebe regelmäßig, wie hilfreich es ist, wenn in Gremien oder Arbeitsgruppen jemand aus einer ganz anderen Branche oder Generation sitzt – da entstehen Aha-Momente, auf die man „in der eigenen Suppe“ nie gekommen wäre. Die Energiewende zum Beispiel lösen wir nicht allein mit Technik, sondern mit gesellschaftlichem Verständnis. Dafür brauchen wir breite Erfahrung, nicht nur tiefe Expertise.

BC: Was würden Sie dem Publikum – insbesondere jungen Führungskräften – in puncto Diversity-Strategie und Board-Entwicklung mitgeben wollen?

Herzeg: Seid unbequem! Hinterfragt Routinen und fragt euch, wer nicht mit am Tisch sitzt – aber dort dringend hingehört. Und sucht euch Mentor:innen und Sparing Partner:innen, die anders sind als ihr. Diversity fängt im Kopf an – und wirkt über Beziehungen. Wer das früh lebt, wird Boards wirklich verändern.

BC: Abschließend: Sie werden zum ersten Male bei uns vortragen (Glückwunsch dazu!), worauf freuen Sie sich bei der Konferenz am meisten?

Herzeg: Danke! Ich freue mich besonders auf den Austausch – und auf ehrliche, vielleicht auch kontroverse Gespräche. Denn wir alle haben noch viel zu lernen. Wenn wir das mit Offenheit und Neugier tun, macht Veränderung nicht nur Sinn, sondern auch Spaß.

BC: Vielen Dank für die differenzierte Beantwortung dieser eher kritischen Fragen. Wir freuen uns sehr auf Ihren Live-Auftritt bei uns!

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