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6. Austrian Sustainability Summit

Kreislaufwirtschaft: Barbara Inmann vom Climate Lab über Unternehmen als Treiber des Wandels

Vom Matratzenrecycling bis Urban Mining: Mit Barbara Inmann vom Climate Lab sprechen wir darüber, wie Kreislaufwirtschaft machbar ist. Entscheidend ist nicht nur die Idee – sondern das Management dahinter.

Business Circle: Können Sie unseren Lesern kurz skizzieren, was das Climate Lab macht und was die wichtigsten Meilensteine in der Entwicklung bisher waren?

Climate Lab: Wir sind überzeugt, dass die Wirtschaftswende vor allem eines braucht: Sektorenübergreifende Zusammenarbeit. Dafür bieten wir eine Plattform und professionelle Prozessbegleitung. Wir bringen die richtigen Leute aus Wirtschaft, Verwaltung, Wissenschaft und Zivilgesellschaft an einen Tisch und in einen moderierten Prozess. Wir identifizieren dann die besten Handlungsoptionen und nächste Schritte, um Lösungen schneller in die Umsetzung zu bringen.

Das bekannteste Beispiel ist unser Programm für eine zirkuläre Matratzenbranche. Daraus ist zunächst die Österreichische Matratzen Allianz entstanden. Die ÖMA ist inzwischen deutlich gewachsen und hat sich schon erfolgreich an verschiedenen Stellen bis hin zur EU-Ebene eingebracht. Es gibt aber auch schon ein Joint Venture zum Bau einer Recyclinganlage von NEVEON und Brantner und das Start-up MATR, das sich da sehr engagiert, eilt von einer Auszeichnung zur nächsten.

Inzwischen haben wir über 40 Projekte mit Unternehmen und der öffentlichen Hand abgeschlossen. Wichtig bei unserer Themenauswahl ist der Impact bei Ressourcenverbrauch und Emissionen. Unsere Projekte können systemische Ansätze sein, wie im Beispiel Matratzen. Es können aber auch gezielte Lösungen für einzelne Organisationen sein.  Ein Beispiel dafür ist die Erarbeitung nachhaltigen Ausschreibekriterien oder nachhaltiger Beschaffung. Da stehen viele Unternehmen vor ähnlichen Herausforderungen und in Summe können diese Themen einen gewaltige Wirkung entfalten.

BC: Visionen klingen oft gut, aber bleiben im „PowerPoint-Stadium“. Was braucht es, damit ein zirkuläres Projekt nicht schon in der Konzeptphase stirbt?

Climate Lab: (lacht!) Die Gefahr, Projekte nicht in die Umsetzung zu bringen, besteht natürlich, vor allem bei komplexen Vorhaben wie Zirkularitätsprojekten. Und genau hier sehen wir auch unsere Rolle. Durch ein stringentes Projektmanagement und Methodenrepertoire, einem neutralen Ort und einer Community aus verschiedensten Stakeholdern schaffen wir eine starke Basis, um Konzepte in die Umsetzung zu bringen.

Ein Schlüssel liegt in dem Wort GEMEINSAM. Es braucht vor allem in der Kreislaufwirtschaft die unterschiedlichen Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette, manchmal auch Konkurrenten, die an einem Strang ziehen sowie die Verwaltung und die passenden Gesetze, Normen und eine - ich nenn es mal zirkuläre Infrastruktur.

Was ich damit meine, sind Dinge wie den digitalen Produktpass, der die nötigen Daten bereitstellt oder EPR-Systeme - also Extended Producer Responsibility. Das ist im Grunde eine kleine Abgabe, wenn neue Ware verkauft wird. Diese Abgabe finanziert dann die Wiederaufbereitung des Produktes, seiner Teile oder Materialien am Lebensende.

BC: Daran anschließend: Was macht gerade Matratzen zum kreislauffähigen Pilotprojekt?

Climate Lab: Es werden jährlich über 1 Million Matratzen in Österreich verbrannt und wir haben die gesamte Wertschöpfungskette für Matratzen noch im Land. Das machte Matratzen zu einem relevanten Thema für das damalige Klimaschutzministerium, mit dem wir dieses Thema gestartet haben. Innovative Start-ups, engagierte Unternehmen und insbesondere die Sammler und Entsorger haben im Prozess wichtige Rollen gespielt. Aufgrund der Größe und Form von Matratzen war das Interesse gerade bei letzteren groß.

BC: Ihre Arbeiten im Bereich Urban Mining klingen sehr spannend: Welche Ressourcenschätze liegen in unserer gebauten/verbauten Umwelt — und wie kann man die für neue Produktionszyklen nutzbar machen?

Climate Lab: Zunächst mal ist das Spannende am “Urban Mining” - gerade am Begriff - dieser Perspektivenwechsel. Plötzlich sieht man die gebaute Umwelt mit ganz anderen Augen, nämlich als Rohstofflager. Das bringt auf den Punkt, dass all diese Reststoffe, die wir gern als Abfall abtun, in Wahrheit Wertstoffe sind. Das gilt nicht nur für die Baubranche.

Bei der Frage, welche Ressourcen es da zu heben gibt, sind wir sicher noch sehr am Anfang. Das Einfachste sind sicher die Rohstoffe, aber viel spannender sind ganze Bauteile. Wir sehen uns derzeit etwa Fenster an. Wann macht es Sinn, Fenster auszubauen und im neuen Gebäude wieder einzubauen? Bei alten Fenstern spielt die schlechte Dämmleistung dann eine Rolle - es gibt jedoch die Möglichkeit, die Scheiben auszubauen, neu aufzubereiten und moderne Scheiben mit besseren Dämmwerten draus zu machen. Es gibt hier noch viele offene Fragen und Betätigungsfelder. In jedem Fall ist das ein ganz spannender Zukunftsmarkt voller Chancen.

Was den Bauschutt angeht, gibt es jetzt beim BMIMI-Leitprojekt KRAISBAU, wo wir auch beteiligt sind, ein spannendes Projekt mit der TU Wien und Wopfinger Transportbeton. Wopfinger kann seine Anlagen schon jetzt so modifizieren, dass Bauschutt komplett sortiert werden kann. Fast alles geht da in irgendeine Wiederverwendung, das meiste in deren Recyclingbeton. Mit der TU ging es jetzt darum, den Ziegelsplitt auch noch abzutrennen, was in einem kleinen Rahmen sehr gut gelungen ist. Das zeigt, wenn wir wollen, können wir eigentlich jetzt schon fast alle Stoffe im Bausektor in irgendeine Form der Wiederverwendung bekommen. Tatsächlich passiert das aber noch kaum.

Nachhaltigkeit ist kein Luxus: Unternehmen in der Verantwortung

BC: Konsumenten fordern Nachhaltigkeit, kaufen aber dann doch das Billigste. Wie überbrücken wir diesen Gap?

Climate Lab: Indem wir dafür sorgen, dass das Nachhaltige auch das Billigste ist. In Wahrheit sind hier die Unternehmen gefragt, Lösungen zu finden, statt die Verantwortung den Kund:innen umzuhängen. Die Frage, wie nachhaltig etwas ist, ist eine Wissenschaft für sich. Das kann man nicht den Menschen im Supermarkt überlassen, die ja dann 15 - 20 Dinge auf einmal kaufen und kaum Zeit haben, sich da bei jeder Sache den Kopf zu zerbrechen.

Nachhaltigkeit sollte daher sowohl preiswert als auch bequem sein. Das kann gelingen, indem man weniger nachhaltige Produkte teurer macht. Ich denke da an die Schlagworte “Kostenwahrheit” oder “CO2-Abgabe”. Das kann aber auch durch Rahmenbedingungen geschehen, die nachhaltige Produktion und Produkte bevorzugen. Derzeit ist es ja eher umgekehrt. Wer nachhaltig produzieren will, etwa mit Recycling oder Refurbed-Produkten, muss dafür eine “Extra Meile” absolvieren. Daraus sollte eine Abkürzung werden, damit dann auch im Geschäft der Preis stimmt.

BC: Und abschließend: Positiv bleiben! Was würden Sie jungen Unternehmen oder Start-ups raten, die mit zirkulären Ideen starten wollen — worauf sollten sie von Anfang an besonders achten?

Climate Lab: Flexibel bleiben, sich nicht auf die erste Geschäftsidee versteifen und immer nah am Kunden bleiben. Viele Geschäftsmodelle bieten Lösungen für Probleme, für die das Bewusstsein fehlt. Also ist eine Empfehlung vor allem für den Anfang, so schnell wie möglich Feedback von potentiellen Nutzer:innen zu bekommen und diese so gut wie möglich in den Entwicklungsprozess einzubauen.

BC: Sehr geehrte Frau Inmann, wir danken Ihnen für diese aufschlussreiche und zukunftsweisende Gespräch und freuen uns schon auf den Beitrag des Climate Lab beim Sustainability Summit!

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