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Lehrlingsforum

Holger Bonin, IHS: Die Lehre im Wandel der Wirtschaftsstruktur

Dr. Holger Bonin ist Direktor des Instituts für Höhere Studien. Im Interview sprechen wir darüber, welche Vorteile die Lehre nicht nur für Jugendliche, sondern für die gesamte Volkswirtschaft hat und was Österreich im internationalen Vergleich zu einem Vorzeigemodell macht.

Business Circle: Sehr geehrter Herr Dr. Bonin, lange galt die Lehre für viele Eltern als „zweite Wahl“ gegenüber dem Studium. Wie motiviert man Eltern, die Lehre aktiv zu fördern – und nicht nur das Studium als Königsweg zu betrachten?

Holger Bonin: Eltern orientieren sich verständlicherweise daran, wie sich die Investition in den einen oder anderen Bildungsweg auszahlt, und da liegt das Studium im Vergleich zur Lehre im Durchschnitt klar vorn. Trotzdem wären etliche Jugendliche, wenn man sich ihre Talente und Fähigkeiten genau anschaut, mit einer Lehre langfristig besser beraten. Deshalb brauchen wir genauere personalisierte Aufklärung darüber, welche Karriere- und Verdienstmöglichkeiten einem tatsächlich offenstehen, wenn man gegen den Strom schwimmt und sich für die berufliche Ausbildung entscheidet. Eine weitere Aufgabe stellt sich bei der wachsenden Gruppe von Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Hier gilt es, die Lehre als Ausbildungsform und ihre Vorteile überhaupt bekannt zu machen, da es sie in vielen Herkunftsländern so nicht gibt.  

Es geht auch um persönliche Hilfen

BC: Viele Lehrverhältnisse scheitern vorzeitig. Welche volkswirtschaftlichen Effekte hätte es, wenn wir die Abbruchquote spürbar senken könnten – und was müsste dafür als Erstes angegangen werden?

Bonin: Berechnungen des IHS zeigen, dass die wirtschaftlichen und sozialen Vorteile, wenn ein höherer Anteil junger Menschen ihre Lehre erfolgreich zu Ende bringen würde, ganz erheblich wären. Schon bei 3.000 zusätzlichen Lehrabschlüssen in einer Schulkohorte anstelle des Pflichtschulabschlusses steigt die inländische Wirtschaftsleistung langfristig um ein halbes Prozent. Das entspricht in Werten von heute einer zusätzlichen Wertschöpfung von 1,6 Mrd. Euro. Das Budgetdefizit könnte dadurch um mehr als eine halbe Milliarde gesenkt werden. Damit die Abbruchquote sinkt, braucht es bei der Risikogruppe eine kontinuierliche professionelle persönliche Begleitung in den Betrieben und Berufsschulen. Dabei geht es nicht nur darum, Schwierigkeiten mit der Bewältigung der Lerninhalte anzupacken, sondern auch viel um persönliche Hilfe im Umgang mit Belastungen im privaten und sozialen Umfeld.

BC: Welche konkreten Vorteile sehen Sie für den Standort Österreich durch das System der dualen Ausbildung im internationalen Vergleich?

Bonin: Unser duales Ausbildungssystem ermöglicht einen vergleichsweise raschen und reibungslosen Übergang von der Schule in den Beruf und hält die Jugendarbeitslosigkeit niedrig. Das verhindert in einer kritischen Lebensphase Narben, die in der beruflichen und persönlichen Entwicklung lange negativ nachwirken. Die Beteiligung der Arbeitgeber beugt vor, dass sich junge Menschen an den Bedarfen des Arbeitsmarkts vorbei ausbilden, und die strukturierte, hochwertige Vermittlung grundlegender beruflicher Qualifikationen fördert die Arbeitsproduktivität. Ich sehe das duale System daher für Österreich als Standortvorteil, es macht uns international wettbewerbsfähiger.

BC: Sehr geehrter Herr Dr. Bonin, wir danken Ihnen für dieses Gespräch und freuen uns, Sie persönlich zur Ihrer Keynote beim Lehrlingsforum zu begrüßen!

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