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Nachbericht: ESG Business Breakfast – Wie klimafit ist der österreichische Finanzsektor?

Am Montag, den 10. November 2025, luden Business Circle und Forvis Mazars zum ersten ESG Business Breakfast in den Heritage Rooms des Almanac Vienna. Nach dem Erfolg der Tax Breakfasts stand diesmal das Thema Risikomanagement in Bezug auf Nachhaltigkeit für den Finanzsektor im Fokus.

Vor über 80 Personen aus Österreichs großen Banken und Versicherungen eröffneten Michael Dessulemoustier-Bovekercke, Maria Riegler (beide Forvis Mazars) und Moritz Mirascija (Business Circle) die Veranstaltung mit dem Hinweis, dass sich das Risikomanagement in der Finanzbranche tiefgreifend verändert hat: Nicht-finanzielle Risiken – und mit ihnen ESG-Themen – sind längst Teil des „neuen Normal“.

Die Sicht der Aufsicht – FMA-Leitfaden zu Nachhaltigkeitsrisiken

Den Auftakt machte Tina Lehner, erfahrene Bankenaufseherin und eine der Mitautorinnen des dieses Jahr aktualisierten FMA-Leitfadens zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken. Fast zehn Jahre sind nun seit dem Pariser Klimaabkommen vergangen und es zeigt sich, dass nicht nur Finanzinstitutionen, sondern auch die Realwirtschaft mitten in der Transformation stecken. „Die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft muss dabei Hand in Hand mit den Nachhaltigkeitszielen gehen“, betonte Lehner – denn die globale Wirtschaftsleistung sei direkt vom ökologischen Gleichgewicht abhängig. Für den Finanzsektor bedeutet das: Umweltrisiken werden zunehmend zu wirtschaftlichen Risiken.

Der aktualisierte FMA-Leitfaden unterstreicht, dass Nachhaltigkeitsrisiken systematisch im Risikomanagement verankert werden müssen. In dem Kontext stellte Tina Lehner klar, dass das Prinzip der Proportionalität im Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken nicht allein an der Größe des Finanzmarktunternehmens festgemacht wird, sondern an der individuellen Risikoexposition seines Portfolios.

Lehner appellierte an die Institute, im Rahmen ihrer Due Diligence einen strukturierten Dialog mit ihren Kundenunternehmen zu führen, um deren Risikoexposition zu verstehen und den Umgang mit Nachhaltigkeitsdaten aktiv zu steuern: „Es geht nicht nur darum, Daten zu erheben, sondern zu verstehen, welche Informationen für die Risikobewertung wirklich relevant sind.“ Ein funktionierendes Monitoring-System und Tone from the Top, also gelebte Verantwortung auf Vorstandsebene, und zwar beidseitig: Im Kreditinstitut und beim betreuten Unternehmen sind entscheidend, um ESG-Risiken glaubwürdig zu managen.

ESG-Risikomanagement in der Praxis – Ein Blick über die Grenze

Im zweiten Teil boten Dr. Elma Sefer Periškić, Partnerin Financial Services und Nico Leidig, Director Risk Management Banking, beide für Forvis Mazars in Deutschland tätig, praxisnahe Einblicke in die Umsetzung.

Sefer erinnerte daran, dass Nachhaltigkeitsrisiken reale Unternehmensrisiken seien: Die deutsche BaFin prüft die Umsetzung der ESG-Risiken im Risikomanagement bereits seit Jahren, auch bevor diese in die Anforderungen an das Risikomanagement ausdrücklich aufgenommen wurden. „Man kann Risiken nicht canceln oder zurückstellen, man muss diese verstehen und steuern“, fasste sie zusammen.

In Bezug auf das Thema Proportionalität unterstrich Sefer, dass auch kleine Kreditinstitute erheblichen Nachhaltigkeitsrisiken ausgesetzt sein können – wenn sie beispielsweise mehrere österreichische Skiliftbetreiber finanzieren, kann das Klumpenrisiko vor dem Hintergrund der immer milderen Winter nicht vernachlässigt werden. Wichtig ist, dass Banken und Versicherungen den Blick auf das Wesentliche bewahren: „Risikomanagement heißt nicht, jedes Putzmittel des Kunden zu dokumentieren. Es geht darum, relevante Daten zu erheben und sinnvoll sowie zukunftsgerichtet auszuwerten.“

Doch genau hier zeigt sich die Praxisfalle: Fragmentierte ESG-Daten zu Kunden erschweren konsistente Datenauswertungen bei Banken. „Nicht jede externe Datenquelle oder Datenlieferant liefert auch sinnvolle Ergebnisse“, warnte Leidig augenzwinkernd – etwa, wenn ein Klimarisikomodell Küstenfluten im Alpenvorland prognostiziert.

Die Frage „Make or Buy“ – also Eigenaufbau vs. Zukauf von ESG-Daten – kann dabei nicht abschließend beantwortet werden. Externe Ratings sind noch im Aufbau, ihre Kriterien oft entsprechend intransparent. Daher gilt: Daten immer prüfen, validieren und kontextualisieren, auch durch den direkten Dialog mit den größten bzw. exponiertesten Kunden.

Für Leidig beginnt integriertes Risikomanagement bei der strategischen Ausrichtung des Unternehmens: Ein ganzheitlicher Blick sei erfolgsentscheidend.

Fazit: Zwischen Anspruch und Realität

Die Diskussion machte deutlich, dass Nachhaltigkeitsrisiken längst keine Randthemen mehr sind, sondern Teil des unternehmerischen Kernrisikos. Ohne integriertes Risikomanagement, das Nachhaltigkeit in Entscheidungsprozesse einbettet, verliert der Finanzsektor an Stabilität – und Glaubwürdigkeit.

Greenwashing lässt sich nur vermeiden, wenn Strategie, Kommunikation und Umsetzung konsistent sind. ESG ist kein Soft Topic – es ist das Fundament wirtschaftlicher Resilienz.

Das erste ESG Business Breakfast hat gezeigt: Der österreichische Finanzsektor ist schon auf dem richtigen Weg, aber es gibt noch viel zu tun.

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