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Stefan A. Jansen: Was bleibt, wenn die KI übernimmt?

Von Stephan A. Jansen, Professor an der Karlshochschule Karlsruhe: Es braucht eine neue Arbeitsteilung zwischen Mensch und Maschine - in jeder Branche, in jedem Prozess. Die Zeit drängt.

Lesen wir aktuell über künstliche Intelligenz, dominieren Hysterie oder Hype. Verlustängste wie Gewinnhoffnungen brauchen aber mehr Differenzierung. Wussten Sie, dass Menschen sich einer KI in der Rolle eines Therapeuten leichter öffnen als einem menschlichen Gegenüber? Oder dass Patienten bei telemedizinischen Diagnosen der chinesischen Versicherungsplattform Ping An eine geringere Mortalitätsrate aufweisen, wenn keine menschlichen Ärzte mitwirken?

Was bleibt dann übrig? Wir Menschen scheinen alles gegen die Maschinen zu verlieren, auch alle Spiele – von Schach, Go bis Tischtennis. Doch wer hat die Spiele und deren Regeln eigentlich erfunden? Und wer die gewinnenden Spieler? Genau: wir Menschen.

Wir brauchen jetzt – wieder einmal – eine neue Arbeitsteilung zwischen dem Menschen und seinen Maschinen – und die Erfindung neuer Spiele sowie die humanistische Nutzung der Maschinenspieler. In jeder Branche, in jedem Unternehmen, in jedem Prozess. Das ist die Arbeit an der Arbeit und ihrer Arbeitsteilung. Die Zeit drängt angesichts der Arbeitskräfte-, Demographie- und fehlenden Arbeitsmigrationsphase Europas.

Was anders wird

1829 rief der Historiker Thomas Carlyle das Maschinenzeitalter aus. Die Industrialisierung begann. Maschinen ersetzten Blue-Collar-Arbeiter. Von den Webstühlen zu den Webshops heute hat sich das in 1950er-Jahren begonnene zweite Maschinenzeitalter konkretisiert: Es geht den weißen Kragen der Management-Etagen an den Kragen. Das ist keine schlechte Nachricht, denn der Managerialismus in der Industrialisierung, wie ihn der MIT Wirtschaftshistoriker Alfred Chandler in den 1960er-Jahren beschrieb, brachte vor allem: Bürokratie, Verwaltung, Management von Managern, die Managerinnen managen, die dann auch mal zur Wertschöpfung beim Kunden beitragen.

Wir haben zu viel und nicht zu wenig Arbeit! Und eine zu geringe Produktivität. Nach aktuellen Studien vom World Economic Forum und Oxford verkehren sich die früheren dystopischen Prognosen ins Gegenteil: Wir haben durch KI einen Netto-Beschäftigungszuwachs von 2,1 Prozent in Deutschland, sechs Prozent global. Und einen Nachholbedarf an Robotern: Diese haben sich weltweit von 2010 bis 2020 von 1,1 auf 3,3 Millionen verdreifacht. Südkorea hat 9,3 Roboter pro 1.000 Mitarbeitende, das hochindustrialisierte Deutschland nur 3,7.

Auf der letztjährigen Art Basel Unlimited konnten wir genau einen solchen sehen: eine animatronische Gorilla-Dame des britischen Künstlers Ryan Gander. Titel der Arbeit: "Schools of Languages" – als Hinweis sowohl auf Large Language Models wie auf Monkey Work, so eine Interpretation. Wir arbeiten als Menschen oft unmenschlich – erst in der Landwirtschaft, auf dem im Bau und nun in Büros. Wir müssen tiefer, empfindsamer, innovativer, spielerfindender arbeiten – mit Maschine.

Aber: Wir dürfen uns von der Technik nicht zum Affen machen lassen! Was übrig bleibt sind humanistische Überlegenheiten, wie z.B. Qualia. So beschrieb der Mathematiker Charles S. Peirce 1867 eine hochsensorische körperliche Empfindsamkeit im Gegensatz zu Quantitäten. Oder Aura-Erfahrungen im Sinne von Walter Benjamins als etwas ganz einzigartig direkt Berührendes durch Originalität von Natur, Kunst, Musik, Lyrik. Und unsere Intuition – des Zauderns, Zögerns und Staunens.

Von HR zu HMRM

KI kommt nicht zur Arbeit, sie ist schon da. Wo Unternehmen mit Blick auf Datenschutzbedenken und Datenerhebungsproblemen noch abwarten, sind Mitarbeitende schon im "BYOAI-Modus" (Bring your own AI). Wir plädieren in unserem Buch für ein "Human Machine Resource Management", also abteilungsübergreifende, branchenbezogene Analysen für eine Workforce-Strategie entlang des Lebenszyklus eines Beschäftigten – vom Recruiting über das Onboarding, Bindungs- und Entwicklungsmanagement bis zum Ausscheiden.

KI-Tools sind schon da, die Arbeitsteilung ist durch den AI Act der EU reguliert, aber nun gilt es, sie unternehmensintern zu definieren. Inklusive der ethisch gebotenen Weiterbildung, etwa der Führung der neuen Mensch-Maschine-Teams – ob von menschlicher Führungskraft oder BotBossen, wie bereits erfolgreich umgesetzt.

Diese Arbeit an der Arbeitsteilung fasst der österreichische Kybernetiker und Maschinen-Analytiker Heinz von Foerster so zusammen: "Nur die Fragen, die im Prinzip unentscheidbar sind, können wir entscheiden." Das ist das, was übrig bleibt!

Der Artikel erschien zuerst im „Standard“

Das Buch "Die Arbeit. Wie wir sie mit KI neu erfinden... und was für uns übrig bleibt" von Stephan A. Jansen und Fabiola H. Gerpott ist vor Kurzem bei brand eins Books und Rowohlt erschienen.

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