TOPICS

EVENTS

RuSt NEXTGen

Stefanie Thuiner: Juristische und unternehmerische Entscheidungsfindung im Spannungsfeld der Generationen

Mag. Stefanie Thuiner leitet die Rechtsabteilung von MYFLEXBOX. Im Interview verrät sie, wie KPIs, Legal Tech und ein frischer Blick auf Compliance die Arbeit in Rechtsabteilungen verändern.

Business Circle: Sehr geehrte Frau Mag. Thuiner, Sie haben sowohl in Wirtschaftskanzleien als auch in Inhouse-Rechtsabteilungen gearbeitet. Wie hat sich Ihr Verständnis davon, was eine gut funktionierende Rechtsabteilung ausmacht, im Laufe der Jahre verändert?

Stefanie Thuiner: Rechtsabteilungen haben sich stark gewandelt: Früher war ihre Rolle vor allem juristisch-reaktiv, heute sind sie strategische Partner:innen des Business. Eine gut funktionierende Rechtsabteilung muss heute nicht nur juristisch sattelfest sein, sondern auch Prozesse mitdenken, Digitalisierung aktiv vorantreiben und eng mit anderen Unternehmensbereichen zusammenarbeiten. Diese Entwicklung bringt neue Anforderungen mit sich, aber auch neue Gestaltungsmöglichkeiten.

BC: In unserem letzten Interview haben wir darüber gesprochen, wie Legal und Compliance miteinander verschmelzen sollten. Wo sehen Sie aktuell noch die größten Reibungsverluste – und wie lassen sich diese praktisch beheben?

Thuiner: Legal und Compliance verfolgen häufig dieselben Ziele wie zB Risikominimierung, Regelkonformität und Schutz des Unternehmens, aber sie sprechen nicht immer dieselbe Sprache. Die größten Reibungsverluste entstehen, wenn beide Bereiche in Silos arbeiten, mit unterschiedlichen Prioritäten, Berichtswegen oder sogar Kulturverständnissen.

BC: Nur was man messen kann, kann man auch steuern: Welche KPIs oder andere qualitative Kriterien, verwenden Sie, um die Performance externer Counsel zu messen?

Thuiner: Seit einiger Zeit beschäftige ich mich intensiv mit dem Thema Pauschalen, nicht nur aus Budgetgründen, sondern auch zur Effizienzsteigerung. Netzwerkempfehlungen sind für mich weiterhin das A und O, aber ich schaue auch auf qualitative Kriterien wie Erreichbarkeit, Reaktionsgeschwindigkeit, Verständlichkeit der Beratung und die Fähigkeit, wirtschaftliche Zusammenhänge zu erkennen. Ob ein externer Counsel mitdenkt und unser Geschäftsmodell versteht, ist für mich oft entscheidender als ein perfekt ausgearbeitetes Memo.

BC: Daran anschließend: Was ist Ihnen in der Zusammenarbeit mit externen Kanzleien wichtiger: juristische Exzellenz oder Pragmatismus mit wirtschaftlichem Blick?

Thuiner: Juristische Korrektheit setze ich voraus. Sie ist das Fundament jeder Beratung. Aber den Unterschied macht der Pragmatismus mit wirtschaftlichem Blick. Ich brauche keine Romane über alle Eventualitäten, sondern realistische Lösungen, die im Geschäftsalltag umsetzbar sind. Exzellenz heißt für mich heute: Die Balance zu finden zwischen rechtlicher Tiefe und unternehmerischer Klarheit. Diesen Ansatz erarbeitet man nicht im stillen Kanzlei-Kämmerlein – sondern gemeinsam, im Austausch mit der hauseigenen Rechtsabteilung.“

BC: Entscheidungen im Legal-Umfeld sind selten schwarz oder weiß – wie gehen Sie mit unangenehmen Entscheidungen um, die rechtlich geboten, aber unternehmerisch (oder menschlich) unbequem sind?

Thuiner: Das gehört zum Job dazu und ist zumeist der unangenehmste Teil. Ich rate allen Unternehmensjurist:innen, eine professionelle Distanz zu wahren. Wir agieren im ‚Partner-Protector-Modus‘: Einen Tag beraten wir das Business als Business Partner, am nächsten Tag müssen wir es vor sich selbst schützen. Gerade bei heiklen Themen wie zB Kündigungsverfahren ist es entscheidend, Haltung zu bewahren und gleichzeitig menschlich zu bleiben. Das gelingt nur mit Klarheit, Empathie und einem Bewusstsein für die Verantwortung, die mit unserer Rolle einhergeht. Schlussendlich vertreten wir aber die Unternehmensinteressen.

Eigenvermarktung in sozialen Medien

BC: Was würden Sie einer jungen Jus-Studentin raten, die sich für eine Karriere im Legal-Bereich interessiert und zwischen Kanzleikarriere, Inhouse-Rolle in einem etablierten Unternehmen Startup-Welt zu entscheiden hat? Und welche Rolle spielt die Eigenvermarktung in sozialen Medien dabei?

Thuiner: Ich finde nicht, dass man sich zu Beginn auf einen Weg festlegen muss. Bei mir war die Kanzlei eine großartige Schule, aber danach kamen viele unterschiedliche Rollen vom Mittelstand über Konzern bis hin zum Scale-up. Ich fand es immer bereichernd, Neues auszuprobieren. Mein Rat: Offen bleiben, neugierig sein, und auf das eigene Bauchgefühl hören. Und ja, Eigenvermarktung in sozialen Medien spielt heute eine große Rolle. Meine persönliche Sichtbarkeit hat mir viele Chancen ermöglicht.

BC: Abschließend: Wie geht es Ihrem „Handbuch für die Rechtsabteilung“ – was ist Ihre wichtigste Botschaft darin?

Thuiner: Viele Leser:innen haben unser Buch als ‚Bibel‘ für Rechtsabteilungen bezeichnet. Das ehrt mich natürlich, aber ich sehe es eher als Impulsgeber mit vielen praktischen Denkanstößen und fundiertem Wissen für den Alltag in der Rechtsabteilung. Unsere wichtigste Botschaft lautet: Seid mutig, denkt über den Tellerrand und probiert euch aus. Wir müssen nicht in alten Mustern verharren. Mit der Legal Counsel Academy haben meine Co-Autorin Irene Waltersdorfer und ich die Buchinhalte nun auch ins Leben erweckt. Wir bieten moderne Kursformate, eine starke Community und praxisrelevantes Know-how – für alle, die ihre Rolle in der Rechtsabteilung neu denken und aktiv weiterentwickeln wollen.

BC: Lieber Frau Mag. Thuiner, wir danken für dieses anregende Gespräch und freuen uns sehr, dass Sie heuer wieder Teil des RuSt-Teams sind!

Text Link
Finance, Legal & Tax