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Technologieführer USA und Regulierungsführer Europa?  Clemens Hasenauer im Interview

Dr. Clemens Hasenauer ist fachlicher Leiter der RuSt. Im Vorfeld der RuSt 2025 hat er uns ein Interview über die systemischen Unterschiede zwischen den USA und Europa sowie über die Frage, wie Europa wettbewerbsfähig bleiben kann, gegeben.

Business Circle: Sehr geehrter Herr Dr. Hasenauer, eingangs etwas Allgemeines: was hat Sie und den Fachbeirat bewogen, sich nach den Themen "Die Stiftung als Kernaktionär" (2024), "KI – Gamechanger, Plagiat oder Bedrohung?" (2023) und "Echte Nachhaltigkeit versus Greenwashing" (2022) in der diesjährigen Abschluss-Session mit dem Thema "Technologieführer USA und Regulierungsführer Europa?" zu befassen?

Clemens Hasenauer: Wir erleben gerade eine geopolitische Zeitenwende – mit massiven Umbrüchen im Technologiebereich, einem verschärften Systemwettbewerb und der Frage, wie Europa in dieser neuen Ordnung bestehen kann. Der technologische Fortschritt, insbesondere in den Bereichen KI, Halbleiter und Raumfahrt, wird derzeit stark durch die USA und zunehmend auch durch China geprägt. Europa setzt dagegen auf ethische Standards und Regulierung. Wir wollen die grundlegende Frage diskutieren: Wo steht Europa aktuell in diesem Zusammenhang? Wie kann Europa seine Werte bewahren und gleichzeitig im globalen Wettbewerb bestehen?

BC: Die USA, aber auch China, treiben technologische Entwicklungen massiv voran, während Europa sich durch regulatorische Maßnahmen selbst zu fesseln scheint. Ist das nur ein strategisches Versäumnis oder ein systematischer Fehler?

Hasenauer: Meines Erachtens handelt es sich nicht um ein strategisches Versäumnis, sondern um eine systemische Divergenz. Während die USA und China innovationsgetrieben agieren und regulatorische Freiräume bewusst als Wettbewerbsvorteil einsetzen, verfolgt die EU einen präventiven Ansatz, der auf Risikominimierung und Werteorientierung basiert – etwa in den Bereichen Datenschutz und KI. Diese Regulierung hat den Vorteil, dass sie langfristig die Sicherheit und den Schutz der Bürger gewährleistet, was das Vertrauen in die europäischen Märkte stärken soll. Dennoch kann diese eher vorsichtige Herangehensweise nur dann langfristig wettbewerbsfähig bleiben, wenn sie durch gezielte Innovationsförderung und internationale Kooperationen ergänzt wird.

BC: Daran anschließend: Europäische Talente, insbesondere in den Bereichen Wissenschaft, Technologie und Unternehmertum wandern in die USA aus; was wäre zu tun, um den Brain Drain zu stoppen?

Hasenauer: Um dem Brain Drain entgegenzuwirken, braucht es strukturelle Verbesserungen der Rahmenbedingungen für forschungs- und technologiegetriebene Unternehmen. Dazu zählen insbesondere beschleunigte Genehmigungs- und Zulassungsverfahren, ein innovationsfreundlicher Regulierungsrahmen sowie ein leichterer Zugang zu Kapital – etwa durch stärkere Verfügbarkeit von Wagniskapital in der Frühphase. Auch die steuerliche Förderung von F&E sowie technologieorientierten Start-ups ist ein zentraler Hebel.

BC: Elon Musk mag ein Beispiel dafür sein, dass Genie und Wahn eng beieinander liegen, ohne Zweifel aber ist er ein sehr erfolgreicher Erfinder und Unternehmer, siehe SpaceX, Boring Company oder Neuralink. Wäre so etwas in der EU überhaupt möglich oder muss man dafür in die USA gehen?

Hasenauer: Unternehmensmodelle wie jene von Elon Musk entstehen in einem US-Ökosystem, das auf hohe Risikobereitschaft, schnellen Kapitalzugang und regulatorische Flexibilität setzt. In Europa dominieren hingegen Schutzprinzipien, da der europäische Rechtsrahmen verstärkt Verbraucher, Arbeitskräfte und Umwelt schützt. Die Herausforderung in Europa liegt darin, Innovationsfähigkeit mit rechtlicher und gesellschaftlicher Verantwortung zu verbinden – nicht als Widerspruch, sondern als integrativer Ansatz.

BC: Viele neue Regulierungen – von NIS-2 bis Data Act – bedrohen vor allem die Agilität von Start-ups und KMU. Was müsste sich ändern, damit Regulierung innovationsfördernd statt innovationshemmend wirkt – gerade im Technologiesektor?

Hasenauer: Regulation an sich muss kein Hindernis für Innovation und Agilität sein. Damit Regulierung innovationsfördernd statt innovationshemmend wirkt, braucht es allerdings mehr Proportionalität, Flexibilität und Klarheit. Gerade für Start-ups und KMU ist entscheidend, dass regulatorische Anforderungen nicht überfordern, sondern verständlich, umsetzbar und praxisnah ausgestaltet sind.

Innovativer werden aber werteorientiert bleiben

BC: Zum Thema Nachhaltigkeit – Inwiefern kann Europa auf Nachhaltigkeit setzen und dabei wettbewerbsfähig bleiben?

Hasenauer: Nachhaltigkeit ist per se kein Widerspruch zur Wettbewerbsfähigkeit – wenn sie richtig gedacht und umgesetzt wird. Europa hat die Chance, Standards zu setzen, die weltweit adaptiert werden. Viele Investoren, insbesondere Institutionelle, verlangen vermehrt ESG-konforme Strukturen. Auch Konsumenten treffen zunehmend bewusstere Entscheidungen. Nachhaltigkeit kann somit durchaus einen Marktvorteil darstellen – vorausgesetzt, sie ist glaubwürdig und operationalisierbar. Wichtig ist, dass die Regulatorik nicht in Komplexität versinkt, sondern Orientierung schafft.

BC: Und zum Abschluss etwas Persönliches: Letztes Jahr durften wir Ihnen für 25 Jahre RuSt danken. Dass jemand für 25 Jahre Treue ausgezeichnet wird, war auch in der 30-jährigen Geschichte von Business Circle eine Premiere. Was ist in Ihren Augen der Erfolgsgarant der RuSt und worauf müssen wir schauen, um die nächsten 25 Jahre zu gestalten?

Hasenauer: Die RuSt lebt von der Mischung: fachliche Tiefe, persönliche Begegnungen und die Bereitschaft, über den juristischen Tellerrand hinauszublicken. Es werden rechtliche Entwicklungen stets im Kontext aktueller wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und technologischer Entwicklungen diskutiert. Dieses interdisziplinäre Denken ist zentraler Inhalt der RuSt. Für die Zukunft müssen wir den Mut behalten, relevante Themen frühzeitig aufzugreifen und die Diskussionen offen, aber fundiert zu führen. Ich freue mich sehr, weiterhin Teil dieser großartigen Veranstaltung und ihrer spannenden Entwicklung sein zu dürfen!

BC: Sehr geehrter Herr Dr. Hasenauer, vielen dank für dieses ausführliche Interview und Ihr tolles Feedback zur RuSt. Gehen wir es weiter an!

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