M&A Marktupdate – Interview mit Elke Napokoj, bpv Hügel
Business Circle: Sehr geehrte Frau Dr. Napokoj, Sie sind einer der führenden Köpfe im M&A-Recht und beobachten den Markt intensiv: Was sind aus Ihrer Sicht die prägendsten Entwicklungen der letzten 24 Monate?
Elke Napokoj: Die M&A-Praxis war stark von gleich mehreren einschneidenden Faktoren geprägt. Zum einen führten geopolitische Unsicherheiten, etwa der Krieg in der Ukraine und die wechselhafte US-Zollpolitik, zu spürbarer Zurückhaltung. Zum anderen belasteten deutlich gestiegene Finanzierungskosten den Markt: der Leitzins der EZB war 2023 so hoch, wie seit 20 Jahren nicht mehr. Hinzu kam eine verschärfte regulatorische Kontrolle, vor allem im Bereich der Investitionskontrolle (FDI).
Darüber hinaus verändert sich auch die Art und Weise, wie Transaktionen durchgeführt werden: ESG-Kriterien gewinnen zunehmend an Bedeutung und können inzwischen transaktionsentscheidend sein. Technologische Entwicklungen, allen voran KI-gestützte Tools, verändern zunehmend die Due Diligence und Vertragsprüfung.
Zusammenfassend: Es bleibt spannend!
BC: Welche „Lessons Learned“ aus der jüngeren Deal-Praxis würden Sie hervorheben?
Napokoj: Unsicherheiten waren schon immer Teil von Transaktionen, doch heute kommen zusätzliche, teils neue Risikofaktoren hinzu. Deshalb sind Flexibilität und eine sorgfältige Vorbereitung wichtiger denn je, insbesondere bei grenzüberschreitenden Deals mit komplexen regulatorischen Anforderungen. Solche Transaktionen bergen stets das Risiko unerwarteter Wendungen oder neu auftretender Problemfelder. Gleichzeitig gibt es eine Reihe von Herausforderungen, die in nahezu jedem Deal zu bewältigen sind. Ein flexibles Deal-Design, die frühzeitige Berücksichtigung von ESG-Kriterien und ein vorausschauendes Stakeholdermanagement sind entscheidend, um Risiken früh zu erkennen und Hindernisse im Transaktionsprozess zu vermeiden.
Zudem zeigt sich klar: In einer zunehmend schnelllebigen Welt, in der Geschwindigkeit immer mehr an Bedeutung gewinnt, bleibt die Qualität der Due Diligence ein zentrales Erfolgskriterium. Man sollte vorab das Target kennen, und sich nicht auf die Geltendmachung von Garantien verlassen!
BC: Noch etwas Persönliches: Sie selbst sind Lektorin und Autorin praxisnaher Fachliteratur – was fasziniert Sie besonders an der Arbeit im M&A-Bereich?
Napokoj: Mich fasziniert die strategische Komplexität und Dynamik jedes einzelnen Deals, keine Transaktion gleicht der anderen. So wird der Alltag nie eintönig und man lernt mit jedem Deal etwas Neues. Die enge Verzahnung von wirtschaftlichem Denken und rechtlicher Präzision macht den Bereich besonders anspruchsvoll. Rechtsfragen müssen nicht einfach subsumiert werden, vielmehr dient das Recht als Werkzeug, mit dem kommerzielle Themen kreativ gelöst werden müssen. Man muss also den wirtschaftlichen Aspekt verstehen, dabei aber auch die ausreichenden juristischen Kenntnisse und Fähigkeiten mitbringen, um mögliche Lösungen zu erarbeiten. Als Autorin begeistert mich zudem die Möglichkeit, praxisnahe Erkenntnisse aufzubereiten und mit der Fachwelt zu teilen. Wer Spaß daran hat sich kreative Lösungen zu komplexen Problemen auszudenken möchte diese auch teilen und über die gewonnenen Erkenntnisse diskutieren. So kann man sich stets weiterentwickeln.
BC: ESG wird immer häufiger als entscheidender Faktor bei M&A-Prozessen genannt. Was bedeutet das konkret für die rechtliche Strukturierung und die Due Diligence?
Napokoj: ESG beeinflusst heute nicht nur die Bewertung von Targets, sondern auch die Strukturierung und vertragliche Absicherung von Transaktionen. In der Due Diligence sind Nachhaltigkeits- und Governance-Aspekte integraler Bestandteil geworden. Rechtlich schlägt sich das z. B. in ESG-spezifischen Garantien, Haftungsregelungen und Integrationsverpflichtungen nieder. Außerdem laufen Deals das Risiko aufgrund von ESG Kriterien ganz ins Wasser zu fallen – laut einer Studie von Deloitte aus 2024 haben sich fast drei von vier Unternehmen bereits entschlossen eine Akquisition aufgrund von „ESG red flags“ nicht durchzuführen.
Im M&A-Geschäft sind Kreativität und Sachverstand gefragt
BC: Warum würden Sie jungen Juristinnen den Einstieg in M&A empfehlen – und welche Fähigkeiten sind hier besonders gefragt? Wie kann M&A-Arbeit als juristischer Karrieremotor wirken?
Napokoj: M&A bietet jungen Juristinnen ein spannendes, internationales Arbeitsfeld mit hoher Sichtbarkeit und Lernkurve. Gefragt sind wirtschaftliches Verständnis, Verhandlungsgeschick, Belastbarkeit und Teamfähigkeit. Wer bereit ist, Verantwortung zu übernehmen, kann im M&A-Bereich schnell wachsen und ein starkes Netzwerk aufbauen. Außerdem bietet der M&A-Sektor auch wirtschaftlich reizvolle Perspektiven, typischerweise mit guter Vergütung. M&A liegt, wie bereits erwähnt, direkt an der Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Recht. Dabei ist Kreativität und Sachverstand gefragt. Als M&A Anwalt muss man sich bei jedem Deal mit einem neuen Unternehmen und einer neuen Branche beschäftigen. Wer neugierig, kreativ und ein guter Teamplayer ist, ist also im M&A genau richtig aufgehoben.
BC: KI als „Supertool“: Welche Potenziale sehen Sie für KI im M&A-Prozess – etwa bei Vertragsanalysen, Due Diligence oder Verhandlungsstrategien? Wie kann der Einsatz von KI M&A-Transaktionen beschleunigen und wo können hier neue Risiken entstehen?
Napokoj: Die „large language models“, wie ChatGPT, an die wir denken, wenn wir KI sagen, haben derzeit noch das große Problem, dass die Informationen nicht immer ganz vertrauenswürdig und, was im Recht wichtig ist, auch nicht immer ganz präzise sind. Das sorgt dafür, dass die Aussagen solcher KI stets überprüft werden müssen. Sie kann also gut dazu benutzt werden Texte zu verfassen oder sich einen Überblick über ein Thema zu schaffen, dabei bleibt es aber auch. Spezielle für Juristen oder M&A entwickelte KI bietet dennoch enormes Potenzial bei der Vertragsanalyse, Risikobewertung und Automatisierung von Due-Diligence-Prozessen. Was KI nämlich zuverlässig und gut kann, ist die Aufbereitung und Strukturierung von Daten. KI ist dadurch vor allem am Anfang des M&A Prozesses, wo es genau darauf ankommt, sich schnell einen Überblick verschaffen und eine enorme Datenmenge strukturieren, nützlich. Auch Garantien für KI-spezifische Risiken rücken zunehmend in den Fokus. Neue Standardklauseln werden bereits entwickelt, eine spannende neue Entwicklung!
BC: Abschließend: Sie begleiten die RuSt jetzt von Anfang an - was ist in Ihren Augen der Erfolgsgarant und was möchten Sie speziell auf der RuSt NEXTGen der Nachwuchsgeneration mitgeben?
Napokoj: Die RuSt ist als Österreichs größtes Jahresforum zu Unternehmensrecht vor allem durch die hochkarätigen Vorträge und Vortragenden geprägt. Ich denke, dass der Austausch und die Meinungen führender Köpfe im Recht besonders relevant sind. Die Rechtswissenschaft ist besonders stark von den Meinungen der rechtlichen Praktiker und Wissenschaftler geprägt.
Die RuSt steht für Qualität, Austausch auf Augenhöhe und praxisnahe Impulse – das macht sie seit Jahren so erfolgreich. Besonders die RuSt NEXTGen ist eine wertvolle Plattform für junge Talente, um sich zu vernetzen, Themen zu setzen und Inspiration zu finden. Mein Rat: Trauen Sie sich, sichtbar zu sein und am Diskurs teilzunehmen – Ihre Perspektiven sind gefragt.
BC: Sehr geehrte Frau Dr. Napokoj, danke für dieses horizonterweiternde Gespräch. Wir freuen uns, Sie auf der RuSt NEXTGen zu begrüßen.