Transaktionssicherheit in Zeiten multipler Krisen: Dr. Konrad Gröller im Gespräch
Business Circle: Sehr geehrter Herr Dr. Gröller, Sie beraten seit mehr als 25 Jahren im M&A-Bereich. Wie hat sich das Thema Transaktionssicherheit in dieser Zeit verändert – und warum ist es gerade jetzt, in einer Zeit multipler globaler Krisen, besonders relevant?
Konrad Gröller: In einer global immer stärker vernetzten Wirtschaft haben einzelne Krisen stetig steigende Auswirkungen, sodass Bewertungen oft kurzfristig größeren Volatilitäten unterliegen. Die vor allem aus regulatorischen Gründen längeren Perioden zwischen Signing und Closing von Transaktionen verstärken diesen Effekt. Ferner haben die aktuellen Entscheidungsträger bereits einige große Krisen in den Knochen; so zum Beispiel die Finanzkrise, Corona, Ukraine-Krieg und damit Energiekrise, etc. Aus diesen Gründen hat das Thema Transaktionssicherheit sehr stark an Bedeutung gewonnen und ist mittlerweile zum Vorstandsthema geworden.
BC: In Ihrem Vortrag gehen Sie plakativ auf „Trump & Co“ ein: Was sind die größten globalwirtschaftlichen Unsicherheitsfaktoren, die Sie aktuell in der Beratungspraxis sehen, und wie wirken sich diese auf die Vertragsgestaltung aus?
Gröller: Wenn einzelne Personen heute mit einem Federstrich Entscheidungen globalen Ausmaßes treffen können, dann steigt das Risiko plötzlich eintretender Veränderungen von Rahmenbedingungen. Das Auf und Ab der US-Zollpolitik ist so ein Beispiel, das aktuell für Reaktionen in der Vertragsgestaltung sorgt. Darüber hinaus sind vor allem auch sicherheitspolitische Themen sehr relevant. Schließlich entstehen auch Unsicherheiten aus politischen Entscheidungen, die oft zu kurzfristig angelegt sind und damit zu massiven Änderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen führen; siehe zum Beispiel die Entwicklung der europäischen Automobilindustrie in den letzten Jahren.
BC: Welche Rolle spielt juristisches Risikomanagement, wenn wirtschaftliche oder geopolitische Entwicklungen innerhalb kürzester Zeit eine Transaktion infrage stellen können?
Gröller: Es geht letztlich um die Frage, ob eine in der oft längeren Periode zwischen Signing und Closing auftretende Marktveränderung noch Auswirkungen auf die kommerziellen Eckpunkte der Transaktion haben soll. Im Kern handelt es sich daher um eine Zuordnung dieses Änderungsrisikos zwischen den Parteien. Die juristische Beratung stellt im Transaktionskontext ja einen wesentlichen Baustein des Risikomanagements dar. Diese Risiken den Mandanten klar vor Augen zu führen und Lösungswege aufzuzeigen, ist sohin Kernaufgabe der juristischen Beratung.
BC: Wie sind Material Adverse Change (MAC)-Klauseln in den USA im Vergleich zu Europa etabliert – und was kann man aus dieser unterschiedlichen Praxis lernen?
Gröller: Natürlich bewegen sich die Märkte und damit auch die Marktpraxis ständig. Generell kann man aber sagen, dass MAC-Klauseln in den USA schon über viele Jahre üblicher sind als in Europa. Ich kann mir gut vorstellen, dass dies auch daran liegt, dass existenzbedrohende Risiken für Unternehmen in den USA präsenter sind als in Europa; man denke nur an oft sehr hohe Schadenersatzprozesse oder die raschere Entwicklung von Konkurrenzunternehmen aufgrund des stärkeren Kapitalmarkts. Darüber hinaus ist der US M&A-Markt tendenziell käuferfreundlicher als der Europäische Markt.
BC: Gibt es typische Fallstricke, die Sie bei der Entscheidung zwischen den Optionen Vertragsrücktritt und Vertragsanpassung immer wieder beobachten?
Gröller: Wesentlich ist einmal zu erkennen, dass ein Recht vom Vertrag zurückzutreten nur in wenigen Fällen dazu führt, dass tatsächlich ein Rücktritt erfolgt. In der Regel wird dieses Recht dazu verwendet, den Kaufpreis oder sonstige Vertragsbedingungen nachzuverhandeln. Vertragsanpassungsrechte sind in der Regel Kaufpreisanpassungsmechanismen. Gegenüber dem Vertragsrücktrittsrecht sind die Grenzen der Änderungen daher klarer und vorhersehbarer gesteckt, dafür ist vorab oft unklar welche Anpassungsmechanismen im Hinblick auf die veränderten Umstände tatsächlich angemessen sind. Viel hängt daher auch davon ab, welche wirtschaftlichen Druckpunkte bei den einzelnen Parteien bestehen, damit eine individuell passende Lösung gefunden werden kann.
Vor Closing werden immer öfter noch Vertragsanpassungen verhandelt
BC: Können Sie aus Ihrer Praxis ein (anonymisiertes) Beispiel geben, in dem eine gut durchdachte Klausel einen Deal gerettet hat?
Gröller: Gerettet werden die Transaktionen in diesem Sinn meist durch das Fehlen einer Klausel; zB einer MAC-Klausel, sodass die Transaktion trotz des MAC-Events stattfindet. Wir sehen jedoch insgesamt über die letzten Jahre klar den Trend, dass vor Closing immer öfter Vertragsanpassungen verhandelt werden. Dies ergibt sich in der Regel aus Vertragsbestimmungen, die einer Partei die Möglichkeit geben, auf geänderte Umstände zu reagieren. Ähnliches gilt für Regelungen im Zusammenhang mit der Einholung wettbewerbsbehördlicher Genehmigungen, die in heiklen Fällen sehr oft zu Transaktionsanpassungen führen.
BC: Abschließend: Sie waren letztes Jahr zum ersten Male auf der RuSt, möchten Sie Ihren Eindruck von dieser Konferenz mit und teilen und worauf freuen Sie sich 2025 am meisten?
Gröller: Ich gehe nicht zu vielen Fachveranstaltungen, da sich das zeitlich oft nur schwer einteilen lässt. Die RuSt ist für mich eine Ausnahme. Hier ist wirklich das Who-is-Who unserer Branche präsent und auch die Vorträge sind praxisnahe und bescheren einem den einen oder anderen Aha-Effekt. In diesem Sinne freue ich mich auf viel Neues und vor allem auf viele bekannte Gesichter auf der RuSt.
BC: Vielen Dank für das gute Feedback! Wir freuen uns, Sie zur RuSt zu begrüßen.