Viele Terawattstunden aus erneuerbaren Energieträgern erzeugen, Andreas Indinger von der Österreichischen Energieagentur im Gespräch
Business Circle: Sehr geehrter Herr DI Indinger, Sie werden am „Renewables meets Industry“-Forum darüber sprechen, wie wir mit erneuerbaren Energieträgern viele Terawattstunden erzeugen, und zwar günstig, rasch und resilient. Welche Technologien sind aus Ihrer Sicht heute wirklich skalierbar?
Andreas Indinger: Wir wissen derzeit schon, wie man alle denkbaren Erneuerbaren Energieträger in Wärme, Strom oder auch flüssige und gasförmige Energieträger umwandeln kann, und das funktioniert fast überall – zumindest im Pilotmaßstab. Einige Technologien sind schon lange marktreif, wie die Nutzung der Biomasse und der Wasserkraft - Österreich ist hier ein Weltmarktführer. Andere wie Fotovoltaik und Windenergieanlagen haben sich beeindruckend weiterentwickelt und sind in manchen Regionen mittlerweile die günstigste Möglichkeit der Energieerzeugung geworden. Grenzen setzen hier oft nur mehr die verfügbaren Flächen, ob ausreichend Fachkräfte für die Planung und Errichtung verfügbar sind und – leider oft unterschätzt – die Akzeptanz in der Bevölkerung.
BC: Wie steht Österreich als relativ kleines aber vergleichsweise hoch technologisiertes Land im internationalen Vergleich da? Wo sind wir technologisch vorn – und wo könnte der Anschluss an globale Entwicklungen verloren gehen?
Indinger: Österreich belegte im Jahr 2023 weltweit Platz 5 beim Anteil der öffentlichen Ausgaben für Energieforschung am BIP, mit einem Wert von 0,065 %. Es gibt gute Teams von Forscherinnen und Forschern, die diese meist kompetitiv vergebenen Mittel einwerben, genau wie Unternehmen aus der Technologiebranche.
Als kleines Land können wir nicht jedes Thema mit wettbewerbsfähiger Produktion bespielen. Und an der Spitze muss man im internationalen Wettbewerb bestehen, Zweiter bei einer Ausschreibung zu werden bringt leider gar nichts. Oft werden es interessante Nischenmärkte – wie beispielsweise die Fassadenintegration von Fotovoltaik - sein, mit einer Massenproduktion bei Batterien und PV werden wir wohl nicht konkurrenzfähig werden.
BC: Speichertechnologie ist Flaschenhals und Schlüssel zur Resilienz. Wie ist der Stand der Technik – und was ist aus Ihrer Sicht noch Illusion oder politisches Wunschdenken?
Indinger: Grundsätzlich gibt es ein breites Portfolio an sehr unterschiedlichen Speicher-Technologien. Da wären die großen, technisch schon lange ausgereiften Wasserkraftspeicher in den Alpen. Batteriespeicher haben sich dynamisch entwickelt, die Tag-Nacht-Verschiebung und die Mobilität werden in Zukunft davon geprägt werden. In den 2030er Jahren können wir mit Untergrundspeichern für Wasserstoff rechnen, die dann auch das Stromsystem in den entscheidenden Momenten mit thermischen Kraftwerken stützen. Während etwa Deutschland in diesem Zusammenhang vorrangig auf die Speicherung in Salzkavernen setzt, bietet sich in Österreich vor allem die Wasserstoffspeicherung in porösem Gestein an. Wir haben dazu ein HyPA-Factsheet gemacht (hier weiterlesen). Strom aus Wasserstoff aus Untergrundspeichern wird dann noch lange einen hohen Preis haben, aber da haben wir wenig Alternativen. Und bis dahin ist die Politik noch stark beim Hochlauf einer Wasserstoff-Infrastruktur gefordert.
Was oft unterschätzt wird: Es gibt auch andere Flexibilitätsoptionen wie den Ausbau der Übertragungsinfrastruktur (sprich: Leitungen) oder die Umwandlung von Strom in andere, besser speicher- und transportierbare Energieträger (Derivate von Wasserstoff wie Methanol, Ammoniak, Sustainable Aviation Fuels), Flexibilität im Verbrauch durch Preissignale etc.Wir müssen aber auch schon beim Erzeugungsmix bedenken, dass Speicherung Geld kostet. Also sollten wir die Windkraft nicht vernachlässigen, auch wenn der Ausbau der PV derzeit politisch leichter umsetzbar ist.
BC: Viele Unternehmen werben mit grünen Claims. Wie unterscheiden Sie aus Ihrer Sicht zwischen echtem Transformationswillen und Greenwashing?
Indinger: Wo wird investiert? In Forschungsprojekte, Forscherinnen, innovative Pilot- und Demoanlagen etc, - oder bekommt nur die Marketingabteilung mehr Geld?
BC: Sie verantworten das Management der Hydrogen Partnership Austria. Wo sehen Sie die größten Potenziale für grünen Wasserstoff – wo ist der größte Forschungsbedarf?
Indinger: Der Forschungsbedarf ist natürlich da, die Mittel auch - aber jetzt müssen wir in die Umsetzung kommen. Und weitere notwendige Entwicklungen und Produktionsausweitungen finden dann statt, wenn Firmen diese aus ihrem erwirtschafteten Cash-Flow finanzieren können und einen Business Case sehen. Die Rahmenbedingungen müssen jetzt klug gewählt sein, und es muss ein Vertrauen bestehen, dass diese behutsam optimiert werden. Denn es sind sehr langfristige Entscheidungen, die jetzt getroffen werden müssen.
Exzellente Forschung braucht praktische Umsetzung
BC: Als Vertreter Österreichs in internationalen Gremien haben Sie einen breiten Überblick: Was ist das mutigste Projekt, das Sie in letzter Zeit gesehen haben – und was war das ernüchterndste?
Indinger: In der Forschung und Entwicklung ist das nicht unbedingt ein Widerspruch. Forschungsprojekte müssen auch zu dem Ergebnis kommen können, dass ein Ansatz so nicht funktioniert, sie müssen also scheitern dürfen. Ohne dieses Risiko ließen sich Förderungen mit Steuergeldern nicht rechtfertigen. Glücklicherweise erkennt die Jury meist die schlechten Projekte und fördert sie nicht. Hin und wieder scheitern leider auch besonders mutige und visionäre Vorhaben im Evaluationsprozess. Ein gutes Projektdesign managt das Risiko.
Beispiele für mutige Projekte: Im Bereich Quantencomputer positioniert sich Österreich im internationalen Vergleich gut. Hier rechne ich in den 30er-Jahren mit massiven Durchbrüchen, die dann z.B. in der Logistikbranche und Materialforschung enorme Auswirkungen haben werden. Letzteres kann Batterien wiederum deutlich billiger machen bzw die Produktion resilienter, weil man auf kritische Rohstoffe dann gezielt verzichten kann. Technologische Rückstände lassen sich nur schwerlich aufholen, da gab es schon ernüchternde Rückschläge in Europa. Entsprechend tut es mir weh zu sehen, wenn exzellent geforscht wird, die Ergebnisse bei uns aber kaum die Praxis umgesetzt werden.
BC: Abschließend: Sie werden das erste Mal bei uns vortragen (Glückwunsch dazu!) – warum ist es so wichtig, sich im Bereich erneuerbarer Energien zu vernetzen und worauf freuen Sie sich bei unserer Konferenz am meisten?
Indinger: Der fortwährende Austausch ist mit Blick auf die komplexen Herausforderungen beim Aufbau eines neuen Energiesystems von besonderer Wichtigkeit. Ich freue mich auf gute Diskussionen, die gerne auch Widerspruch mit guten Argumenten enthalten sollen.
BC: Sehr geehrter Herr DI Indinger, wir danken Ihnen für dieses motivierende Gespräch und freuen uns, Sie bei uns zu begrüßen.