Investitionskontrolle und Foreign Subsidies Regulation: Interview mit Judith Feldner, E+H
BC: Sehr geehrte Frau Mag. Feldner, eingangs eine Standortbestimmung: Wie bewerten Sie derzeit die Auswirkungen von FDI (Foreign Direct Investment)-Verfahren auf M&A-Transaktionen in Österreich und der EU?
Judith Feldner: FDI-Verfahren wirken sich vor allem auf die zeitliche Abwicklung von M&A-Transaktionen aus. Da die meisten FDI-Regime bei der Anmeldepflicht primär auf den Sektor des Zielunternehmens abstellen – und nicht auf Umsatzschwellen, wie wir es aus der Fusionskontrolle kennen –, kann es zu Antragspflichten in mehreren Staaten gleichzeitig kommen. Das gilt auch dann, wenn die jeweilige nationale Tochtergesellschaft für die Gesamttransaktion nur von untergeordneter Bedeutung ist. In Österreich sehen wir etwa immer wieder FDI-Antragspflichten für Tochtergesellschaften, bei denen aufgrund ihrer geringen Größe gar keine eigene Due Diligence durchgeführt wurde.
Häufig liegen die fusionskontrollrechtlichen Freigaben auch schneller vor als die FDI-Genehmigungen in bestimmten Ländern. Daher stellen sich in der Praxis oft zwei Fragen: Wann kann der FDI-Antrag frühestmöglich eingebracht werden? Und wie lange kann das jeweilige Verfahren dauern? Die Antworten darauf sind von Land zu Land unterschiedlich – hier geht es also wirklich um Details.
Eine sehr positive Entwicklung in der österreichischen Investitionskontrolle ist, dass die Transaktionen mittlerweile schneller geprüft werden: Bei unkritischen Fällen liegt die Genehmigung jetzt oft schon nach rund einem Monat vor – früher waren es eher zwei. Damit entspricht die Dauer inzwischen oft der Fusionskontrolle in Österreich.
Europaweit war es in den letzten Jahren eine wirkliche Challenge, den Überblick zu bewahren, in welchen EU-Mitgliedstaaten bereits ein FDI-Regime gilt. Alle paar Monate hat ein weiterer EU-Mitgliedstaat ein entsprechendes Systemeingeführt. Gerade wenn sich die Verhandlung von M&A-Deals in die Länge zieht, ist es daher wichtig, die zu Beginn vorgenommene Prüfung möglicher Anmeldepflichten regelmäßig zu aktualisieren. Erst vergangene Woche hat zB Griechenland ein FDI-Regime beschlossen. In den letzten fünf Jahren sind in EU-Mitgliedstaaten zehn komplett neue FDI-Regime hinzugekommen, viele bestehende wurden – teils mehrfach – grundlegend geändert.
Die einzelnen nationalen FDI-Regelungen unterscheiden sich oft erheblich, etwa in der Frage, welche Erwerber als "foreign investor" gelten – teilweise werden auch Investoren erfasst, die nur EU-Gesellschaften in der gesamten Erwerberkette haben. Besondere Vorsicht ist auch in Ländern geboten, in denen eine Antragspflicht nicht nur durch den Sitz oder Assets einer Zielgesellschaft getriggered werden kann, sondern – so wie man es aus der Fusionskontrolle kennt –durch den bloßen Umsatz in einem Land.
BC: Welche Industrien/Branchen sind Ihrer praktischen Erfahrung nach derzeit am stärksten von der Investitionskontrolle betroffen.
Feldner: Dauerbrenner-Themen in Europa sind insbesondere die Verteidigungsindustrie, Halbleiter, Energie, Cybersecurity und Gesundheit.
In der österreichischen Investitionskontrolle wird zwischen "besonders sensiblen Bereichen" und sogenannten "anderen Bereichen" unterschieden.
Zu den besonders sensiblen Bereichen gehören Verteidigungsgüter und –technologien, Betreiben kritischer Infrastruktur, Betreiben kritischer digitaler Infrastruktur (insbesondere 5G Infrastruktur), Wasser und das Betreiben von Systemen, die die Datensouveränität der Republik Österreich gewährleisten. Ist ein österreichisches Zielunternehmen in einem dieser Bereiche tätig, so kann bereits der Erwerb von lediglich 10% der Stimmrechte durch einen ausländischen Investor eine Antragspflicht auslösen. In allen anderen Bereichen greift die Investitionskontrolle in Österreich erst bei Erwerb von 25% der Stimmrechte. Im aktuellen Regierungsprogramm in Österreich ist vorgesehen, dass die Schwellen betreffend Medien und Gesundheit auf 10% abgesenkt werden sollen.
Mit der geplanten Änderung der EU-Screening-Verordnung soll ein gewisser Mindeststandard in allen Mitgliedsstaaten geschaffen werden. Für bestimmte Bereiche – etwa für Dual-Use-Güter oder künstliche Intelligenz –müsste dann in allen EU-Mitgliedstaaten eine Antragspflicht eingeführt werden. Die Mitgliedstaaten hätten aber weiterhin die Möglichkeit, für zusätzliche Bereiche eine Antragspflicht vorzusehen.
Die FSR wird ernsthaft durchgesetzt
BC: Die Kontrolle drittstaatlicher Subventionen ist ein sensibles Thema: Wie stark greift die Europäische Kommission hier bislang durch? Gibt es aus Ihrer Erfahrung bereits erste Fälle, die als Warnsignal für Unternehmen gelten können? Worauf müssen Akteure sich gefasst machen?
Feldner: Die Verordnung über Drittstaaten-Subventionen (Foreign Subsidies Regulation "FSR") findet mittlerweile seit mehr als eineinhalb Jahren Anwendung. In diesem Zeitraum musste sich die Europäische Kommission mit mehr als 150 FSR-Anmeldungen befassen. Darüber hinaus hat die Europäische Kommission auch bereits sogenannte ex officio-Prüfungen aufgenommen und sogar eine Hausdurchsuchung durchgeführt. Die Europäische Kommission sendet damit ein klares Signal: Die FSR ist keine bloße Formalität, sondern wird ernsthaft durchgesetzt.
Rund ein Drittel der bisherigen FSR-Anmeldungen stammt von Private-Equity-Investoren. Anders als bei FDI-Fällen knüpfen die FSR-Regelungen beim EU-Umsatz des Zielunternehmens an sowie daran, in welcher Höhe finanzielle Zuwendungen aus Drittstaaten geflossen sind. Das bedeutet auch, dass der Erwerber somit auch kein Drittstaatler sein muss und es auch keine Rolle spielt, in welchem Bereich das Zielunternehmen tätig ist.
Die von der Europäischen Kommission geprüften Fälle betrafen dementsprechend Zielunternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen– etwa Tierfutter, Medien, Hotels, Medizinprodukte, Energie oder Telekommunikation. Bei großen internationalen PE-Transaktionen gibt es mittlerweile den Dreiklang: Es braucht eine EU-Fusionskontrollanmeldung, mehrere nationale FDI-Antragspflichten und zusätzlich eine FSR-Anmeldung.
BC: Sanktionen wegen Verstößen gegen FDI-Regularien – wie stoßen Behörden auf mögliche unterlassene Anmeldungen?
Feldner: Die Investitionskontrollabteilung des österreichischen Wirtschaftsministeriums monitort den Markt sehr genau. Erhält sie etwa durch eine Pressemitteilung Kenntnis von einer Transaktion und kann dabei nicht ausschließen, dass es sich beim Erwerber um einen ausländischen Investor handelt, fordert sie die Erwerber oder das Zielunternehmen zur Stellungnahme auf.
Zudem werden alle Fusionskontrollanmeldungen, die bei der Bundeswettbewerbsbehörde in Österreich eingereicht werden, auch an die Investitionskontrollabteilung im Wirtschaftsministerium weitergeleitet. Auf diesen Weg bekommt die Investitionskontrollabteilung detaillierte Informationen zu Transaktionen, die potenziell investitionskontrollrechtlich relevant sein könnten.
Auch der Austausch mit anderen EU-Mitgliedstaaten über den sogenannten EU-Kooperationsmechanismus ist eine Informationsquelle für die österreichische Investitionskontrollabteilung über Transaktionen, die auch einen österreichischen Nexus haben können.
BC: Wie sollten sich Unternehmen und M&A-Teams strategisch aufstellen, um angesichts der zunehmenden Regulierungsdichte weiterhin effizient und rechtssicher agieren zu können?
Feldner: Wichtig ist, dass allfällige Genehmigungserfordernisse frühzeitig identifiziert und eingeplant werden, um nicht in ein zeitliches Dilemma zu kommen. Unternehmen, die regelmäßig sehr große Transaktionen durchführen – dh insbesondere mit Zielunternehmen mit einem EU-Umsatz von mindestens EUR 500 Millionen – sollten bereits vorzeitig und unabhängig von einer konkreten Transaktion damit beginnen, jene Informationen systematisch zu sammeln, die für die Prüfung einer potentiellen FSR-Anmeldepflicht bzw in der Folge für eine entsprechende Anmeldung bei der Europäischen Kommission notwendig sind.
Ein "Zusammentragen" der notwendigen Informationen ad hoc ist in der Regel kurzfristig schlicht nicht möglich.
BC: Abschließend etwas Persönliches: Worauf freuen Sie sich beim „M&A Summit“ am meisten?
Feldner: Ich freue mich auf den interdisziplinären Austausch mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern sowie auf eine hoffentlich intensive Diskussion darüber, wie man mit den Herausforderungen am besten umgeht.
BC: Sehr geehrte Frau Mag. Feldner, wir danken Ihnen für dieses Gespräch und freuen uns, Sie bald wieder live bei uns zu begrüßen!