Klima, Kreislauf, KMU: Wie Hildegard Aichberger vom Umweltbundesamt Nachhaltigkeit vordenkt
Business Circle: Sehr geehrte Frau Dr. Aichberger, Sie sind seit über zwei Jahrzehnten an der Schnittstelle von Wirtschaft, Medien und Zivilgesellschaft tätig. Welche Stationen und Erfahrungen waren für Ihren Weg an die Spitze des Umweltbundesamts besonders prägend?
Hildegard Aichberger: Mich haben vor allem jene Stationen geprägt, an denen Umweltfragen nicht isoliert, sondern im Zusammenspiel mit wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Realitäten verhandelt wurden. Ich habe früh gelernt, dass Maßnahmen zum Klima- und Umweltschutz nur dann wirksam sind, wenn sie verständlich kommuniziert werden, wirtschaftlich anschlussfähig sind und auf wissenschaftlich soliden Grundlagen beruhen. Diese Verbindung – zwischen Evidenz, Entscheidungsprozessen und öffentlicher Debatte - prägt auch heute meine Arbeit im Umweltbundesamt.
BC: Das Umweltbundesamt gilt als die zentrale Kompetenzstelle für Umwelt und nachhaltiges Wirtschaften in Österreich. Wie unterstützt das Umweltbundesamt Entscheidungsträger, ihre Geschäftsmodelle in Richtung nachhaltiges Wirtschaften weiterzuentwickeln?
Aichberger: Das Umweltbundesamt liefert qualitätsgesicherte Daten, berechnet Szenarien und erklärt Zusammenhänge, um fundierte Entscheidungen zu ermöglichen. Durch unsere enge Zusammenarbeit mit Politik und Verwaltung und unsere vielfältigen Tätigkeiten auf EU-Ebene und in internationalen Projekten wissen wir frühzeitig, wohin sich Regulierungen etwa in den Bereichen Klimaschutz, Kreislaufwirtschaft oder nachhaltige Finanzierung entwickeln. So können wir diese Entwicklungen in unsere Analysen und Empfehlungen miteinbeziehen. Gleichzeitig berichten wir regelmäßig - etwa im Umweltkontrollbericht - über den Zustand der Umwelt, um Fortschritte einerseits, aber auch Handlungsbedarf transparent zu machen. Damit schaffen wir Orientierung in einer Phase großer Transformation.
BC: Sie arbeiten als Geschäftsführerin eng an der Schnittstelle von Umwelt, Wirtschaft und Wissenschaft. Wo sehen Sie aktuell die größten Hürden – und welche Chancen – für kleinere und mittlere Unternehmen in der Nachhaltigkeitstransformation?
Aichberger: Viele kleinere und mittlere Unternehmen erleben die notwendige Transformation als tiefgreifende Veränderung, die mit Existenz- und Veränderungsängsten verbunden ist. Oft fehlen Investitionsmöglichkeiten und klare rechtliche Rahmenbedingungen, so dass es nur wenig Planungssicherheit gibt. Eine weitere Hürde ist, dass die Debatte häufig sehr akademisch geführt wird und Begriffe wie „Nachhaltigkeitstransformation“ für viele KMU wenig greifbar sind – hier müssen wir in Sprache und Botschaften gezielt anschlussfähiger werden. Gerade in einem Land, dessen Wirtschaft stark von KMU geprägt ist. Gleichzeitig zeigt die Praxis, dass kleinere Unternehmen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten oft anpassungsfähiger und entlang ihrer Wertschöpfungsketten flexibler agieren können als große Konzerne. Das ist ein echter Vorteil, wenn es darum geht, neue Formen der Berichterstattung, des Energiemanagements oder zirkulärer Geschäftsmodelle auszuprobieren.
BC: Nachhaltigkeitstransformation gelingt nur mit tone-from-the-top, also Eigentümer und Vorstände mitzunehmen. Welche Argumente wirken aus Ihrer Erfahrung am stärksten, um das C-Level zu motivieren?
Aichberger: Aus Gesprächen mit Vorständ:innen und aus aktuellen Analysen sehen wir drei Haupttreiber: 1. wirtschaftlicher Nutzen und Risikoreduktion 2. regulatorischen Druck inklusive Investorenerwartungen sowie 3. Reputations- und Wettbewerbsdruck.
Für die meisten Vorständ:innen ist ein klarer wirtschaftlicher Vorteil nach wie vor der stärkste Hebel, wobei sich Nachhaltigkeit auch über die Quantifizierung und monetäre Bewertung von Risiken rechnet. Gerade vor dem Hintergrund, dass klimawandelbedingte Schäden in Österreich bereits heute zumindest rund zwei Mrd. Euro pro Jahr verursachen und bis Mitte des Jahrhunderts auf etwa 3,8 bis 8,8 Mrd. Euro steigen können. Oder beim Thema Energiepreise: Wir hatten gerade eine Energiepreiskrise - im Kern eine Krise des fossilen Gases. Dabei haben wir gesehen, wie teuer die Abhängigkeit von importierten Gütern für die Wirtschaft werden kann. Der Umbau hin zu mehr erneuerbarer Energie und zu einer Kreislaufwirtschaft ist eine Antwort darauf. Er schützt nicht nur die Umwelt, sondern reduziert vor allem diese Abhängigkeiten. Gleichzeitig zeigt der österreichische Umwelt- und Klimasektor, dass das kein Randthema ist: 2022 erzielte er rund 53 Milliarden Euro Umsatz und beschäftigte etwa 200.000 Menschen. Das ist ein zentraler Baustein zukunftsorientierten Wirtschaftens.
Nachhaltigkeit ist Resilienz ist Wettbewerbsvorteil
BC: Gerade im stark KMU-geprägten Österreich wird oft gefragt: „Verträgt sich Nachhaltigkeit überhaupt mit Profitabilität?“ Was sind Ihre Argumente dafür, dass Gewinne erzielen und nachhaltig wirtschaften kein Widerspruch ist?
Aichberger: Aus zahlreichen Studien wissen wir, dass das Wachstum von Unternehmen aus dem Bereich der grünen und digitalen Transformation stärker ist als der Durchschnitt der Wirtschaft. Für KMU gilt auch wie für große Unternehmen: Abhängigkeiten bedeuten Risiko und weniger Risiko bedeutet daher größere Chancen auf Profit. Ein gutes Beispiel ist der Schokoladenhersteller Zotter, der früh auf die Zusammenarbeit mit Kooperativen umgestellt und faire Preise an die Bäuerinnen und Bauern gezahlt hat und dadurch nicht nur sozial verträglich und nachhaltig wirtschaftet, sondern auch widerstandsfähiger gegenüber Rohkakaopreisschwankungen ist als Produzent:innen, die am Weltmarkt einkaufen. Zugleich zeigen die gesunkenen Emissionen bei insgesamt wachsender Wirtschaft, dass Klimaschutz und wirtschaftlicher Erfolg gewinnbringend zusammengehen.
BC: Der ökologische Wandel lässt sich selten allein bewältigen. Welche Rolle spielen persönliche Netzwerke, Kooperationen und Wissensaustausch - wie zum Beispiel auf unserer Konferenz - insbesondere für KMU, die nicht über eigene ESG-Abteilungen verfügen?
Aichberger: In einer Zeit großer Umbrüche - Klimakrise, Biodiversitätsverlust und rasante technologische Entwicklungen wie Künstliche Intelligenz - wächst die Unsicherheit. Transformation bedeutet Veränderung, und Veränderung verunsichert. Umso wichtiger sind vertrauenswürdige Netzwerke, Kooperationen und ein strukturierter Wissensaustausch. Sie geben Orientierung, bündeln Erfahrung und ermöglichen Lernen voneinander. Gerade dann, wenn die eigenen Ressourcen begrenzt sind.
Umweltmanagementsysteme wie EMAS können dabei eine wichtige Rolle spielen, weil sie Unternehmen helfen, Umweltleistungen systematisch zu erfassen, Verbesserungsprozesse zu strukturieren und Fortschritte sichtbar zu machen. Genauso wichtig sind Austauschformate wie Ihre Konferenz, Initiativen wie der „Dialog für den Wandel“ oder regionale Partnerschaften. Sie verbinden Wissen und Praxis. Sie senken Einstiegshürden. Und sie unterstützen KMU dabei, konkrete nächste Schritte zu setzen.
Kooperation ist dabei keine „weiche“ Ergänzung. Sie ist eine zukunftsfähige Strategie. Sie bringt unterschiedliche Perspektiven zusammen, verteilt Verantwortung und erhöht die Wirksamkeit. Gerade im ökologischen Wandel gilt: Niemand muss – und kann – diese Herausforderungen allein bewältigen. Vernetzung schafft Vertrauen. Und Vertrauen ist eine zentrale Voraussetzung für gelingende Transformation.
BC: Sehr geehrte Frau Dr. Aichberger, wir danken Ihnen die Erinnerung daran, dass Transformation vor allem dort gelingt, wo Wissen, Verantwortung und Kooperation zusammenkommen und freuen uns, Sie bald live auf unserer Bühne zu begrüßen!

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