Berufsstolz in der Pflege stärken
Business Circle: Pflegekräfte sind das Rückgrat des Gesundheitssystems – wie kann der Berufsstolz in der Pflege gestärkt werden?
Um den Berufsstolz in der Pflege zu stärken, müssen mehrere Aspekte berücksichtigt werden. Pflegepersonen benötigen neben ihrer fachlichen Expertise auch interpersonelle Kompetenzen. Wie gehen wir in unseren Teams miteinander um? Wie gebe ich meinen Auszubildenden oder Kolleg:innen richtiges Feedback? Leben wir eine ehrliche und offene Sicherheits- und Fehlerkultur? Ebenso wichtig ist es, dass Führungskräfte im intra- und extramuralen Bereich den menschlichen Faktor ihrer Mitarbeiter:innen kennen und fördern. Welche Sorgen haben die Kolleg:innen im Berufsalltag? Wie können Führungskräfte diese Sorgen erkennen und positiv beeinflussen? Dies ist nur möglich, wenn in den Organisationen und Einrichtungen des Gesundheitssystems flache Hierarchien vorherrschen. Kein:e Mitarbeiter:in wird offen einen Fehler zugeben, wenn sie mit Konsequenzen rechnen muss. Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Pflegen von Teambeziehungen. Vertrauen ist sowohl im beruflichen als auch im privaten Umfeld essenziell – es muss aufgebaut und gepflegt werden.
Business Circle: Welche Maßnahmen könnten dazu beitragen, den gesellschaftlichen Wert der Pflege sichtbarer zu machen?
Es ist notwendig viele Bündel an Maßnahmen zu schnüren, um den gesellschaftlichen Wert der Pflege hervorzuheben. Dies kann einerseits durch entsprechende Bewusstseinskampagnen und einer positiven Berichterstattung im medialen Bereich passieren, andererseits aber auch durch eine intensivere Darstellung der Pflegeberufe z.B. im Bildungssystem. Schüler:innen könnten bereits in früheren Jahren über die Möglichkeiten der verschiedenen Ausbildungs- & Karrierewege in der Pflege informiert werden und so bereits vorzeitig, ein entsprechendes Interesse für den Pflegebereich geweckt werden. Die politische und gesetzgeberische Unterstützung sollte Pflegeexpert:innen vermehrt in Entscheidungsprozesse miteinbeziehen, um so mit der Expertise der Pflegefachpersonen entsprechende Zukunftsschritte für eine professionelle Versorgung der Bevölkerung zu setzen.
Vertiefung Teamführung
Business Circle: Wie beeinflusst die Wertschätzung des Pflegeberufs die Teamdynamik und den Zusammenhalt?
Wenn Pflegekräfte Wertschätzung erfahren, sind sie in der Regel motivierter und engagierter in ihrer Arbeit. Sie fühlen sich respektiert und anerkannt, was dazu führt, dass sie sich stärker mit ihrem Team und der Einrichtung identifizieren. Pflege muss sich aber auch selbstkritisch hinterfragen, warum die Profession einerseits zu einem der angesehensten Berufe in unserer Gesellschaft zählt, andererseits sich aber ein großer Prozentsatz der Pflegekräfte nicht wertgeschätzt fühlt. Könnte es daran liegen, dass man sich vielfach in einem Jammerkreis befindet, aus dem es sehr schwer ist auszubrechen?
Business Circle: Wie können Führungskräfte durch emotionale Intelligenz Vertrauen und Offenheit im Team fördern?
Emotionale Intelligenz umfasst die Fähigkeit, die eigenen Emotionen anderer zu erkennen, zu verstehen und zu regulieren. Als Führungskraft ist es wichtig, seine eigenen Emotionen zu kennen. Dies hilft, authentisch und transparent zu handeln, was Vertrauen schafft. Dabei ist es wichtig, sich in die Lage der Mitarbeiter hineinzuversetzen und auch Verständnis für ihre Gefühle und Perspektiven zu zeigen. Dies fördert eine unterstützende, respektvolle und vertrauensvolle Arbeitsumgebung. Durch eine offene Kommunikation und mit dem Zeigen von Vulnerabilität (das heißt nicht, dass Führungskräfte vor ihren Mitarbeiter: innen weinen müssen, sondern es geht um das Eingestehen, dass man etwas nicht weiß, eine falsche Entscheidung getroffen hat oder enttäuscht ist) fördert man als Führungskraft den offenen Dialog, in dem Teammitglieder ihre Gedanken und Bedenken frei äußern können. Und natürlich ist es essenziell, dass Führungskräfte, Werte und Verhaltensweisen vorleben, die sie sich auch von ihrem Team erwarten. Dies schafft eine Kultur des Vertrauens, Offenheit und der Integrität.
Business Circle: Welche Strategien helfen Führungskräften, eine Feedback- und Fehlerkultur zu etablieren, die Sicherheit und Entwicklung ermöglicht?
Die Grundlage für eine positive Feedback-& Fehlerkultur ist psychologische Sicherheit. Psychologische Sicherheit bedeutet, dass jede:r Mitarbeiter:in sich zu jederzeit einbringen kann, Fehler eingestehen oder bei anderen ansprechen kann und Dinge auch einmal hinterfragen kann, ohne dafür bestraft oder belächelt zu werden. Die dafür notwendigen Grundlagen sind Vertrauen und ein Miteinander das durch das Wir und nicht das Ich geprägt ist. All das muss innerhalb von Teams aufgebaut, gepflegt und gelebt werden. Durch Transparenz, Ehrlichkeit, aktivem Zuhören und damit durch ein Vorleben einer konstruktiven Fehlerkultur können Führungskräfte als Vorbilder für ihre Teams wirken. Die Förderung von konstruktivem Feedback sollte regelmäßig und zeitnah erfolgen, Feedback sollte auch immer als Dialog und nicht als Monolog stattfinden und Führungskräfte sollten ihrem Team vor allem auch positives Feedback betonen. Im Feedbackgeben sind wir alle mittlerweile recht gut, aber gerade bei der Annahme von Feedback gibt es noch viel zu tun.
Aus Fehlern sollte man lernen – Fehler gehören nicht bestraft, sondern konstruktiv besprochen. Führungskräfte sollten in einer respektvollen Fehlerkultur das Vorhandensein von Fehlern als Teil des Prozesses akzeptieren und ein Umfeld schaffen, in dem Fehler auch als Teil einer Weiterentwicklung gesehen werden können.
Business Circle: Wie können Führungskräfte unterschiedliche Persönlichkeitstypen im Team effektiv managen, um Zugehörigkeit und Harmonie zu fördern?
Dafür benötigt es zuallererst Zeit und Interesse die einzelnen Persönlichkeiten auch zu kennen. Diese Zeit nehmen sich leider zu wenige Führungskräfte und häufig passiert es, dass Führungskräfte generalisieren, zum Beispiel bei Generationen oder Berufsgruppen. Jede:r Mitarbeiter:in ist anders und einmalig, mit all den verbundenen Stärken und Schwächen. Führungskräfte müssen zuhören, die richtigen Fragen stellen, Mitarbeiter befähigen, begleiten und auch in schwierigen Zeiten unterstützen. Auch hier ist das WIR so wichtig. Wenn wir gegenseitig auf die Resilienz achten, auch die Führungskräfte mal ohne nachfragen, die eine oder andere Tätigkeit übernehmen, dann stärkt das natürlich die Zugehörigkeit.
Harmonie ist wichtig im Berufsalltag, sie hat aber auch Grenzen. Mit Ehrlichkeit, Transparenz und Gesprächen können auch kritische oder schwierige Dinge angesprochen werden. Die Individualität eines jeden Teammitgliedes gehört berücksichtigt, genauso sollte aber auch Empathie gefördert werden und gemeinsame Ziele im Team abgesprochen werden. Führungskräfte müssen Persönlichkeitstypen verstehen und ihre Kommunikationsstile individuell anpassen. Stärken eines jeden Teammitgliedes gehören gefördert und ihre Aufgaben innerhalb des Teams sollten entsprechend angepasst werden. Eine positive Fehler- & Feedbackkultur gepaart mit den Grundlagen von psychologisch sicheren Teams können auch dazu beitragen, dass Zugehörigkeit und Harmonie im Team gefördert werden.
Brücke zur Luftfahrt
Business Circle: Wie können Konzepte aus der Luftfahrt, auf die Pflege übertragen werden?
Seit Jahren schauen viele Industrien auf die Luftfahrt und Fluggesellschaften, da sie den Faktor Mensch viel früher (und aufgrund tragischer Unfälle) in den Vordergrund gestellt haben und sich seither bei der Ausbildung nicht nur auf technische und prozedurale Kompetenzen konzentrieren, sondern sehr stark auf interpersonelle Kompetenzen achten. In den letzten Jahren haben diesen Umstand viele Industrien erkannt und somit spielt es eigentlich keine Rolle, ob es die Luftfahrt oder eine andere Industrie ist. Es gilt über den Tellerrand zu schauen und von und miteinander zu lernen, das heißt auch, dass andere Industrien von der Pflege lernen können. Konkret lässt sich aber übertragen, wie wichtig die Aus- und Weiterbildung von interpersonellen Kompetenzen ist, wie wichtig interdisziplinäre Schulungen sind, wie wichtig Checklisten sind und das Wichtigste, warum es gerade in Hochrisikobereichen essentiell ist "Assertiveness (Durchsetzungsvermögen)" zu trainieren und eine Kultur zu schaffen, wo jeder alles sagen kann und auch gehört wird.
Konkret, wenn ein Co-Pilot ein Fehlverhalten (bewusst oder unbewusst) des Kapitäns wahrnimmt, dann wird selbiges Verhalten angesprochen und ernst genommen. Genau diese Kompetenz und Kultur braucht es, damit Vorfälle verhindert werden können und das Wir-Gefühl gestärkt wird.
Business Circle: In beiden Branchen geht es um Menschenleben – wie wichtig sind standardisierte Abläufe, und wo bleibt Raum für Flexibilität?
Gerade in großen Unternehmen, mit vielen unterschiedlichen Kulturen und Generationen sind Standards essenziell. Jede:r Mitarbeiter:in weiß, was von wem wie zu tun ist (im Normal- oder Ernstfall). Natürlich braucht es manchmal Flexibilität oder kreative Ideen, gerade für Situationen die unbekannt sind. Dennoch aber ist es notwendig, dass sich alle bewusst sind, was die Situation ist, warum man möglicherweise abweicht und wer die Situation kontrolliert. Was nicht passieren darf ist, dass Mitarbeiter:innen ihre eigenen Wege oder Checklisten haben, weil diese schneller oder einfacher sind, oder aber auch, dass Situationen wie in der Vergangenheit abgearbeitet werden, weil dies halt immer schon so gemacht wurde.